Agiles Management: Führung auf Augenhöhe
Vor kurzem habe ich euch auf Mikromanagement aufmerksam gemacht und erklärt, warum dieses für Unternehmen und dessen Mitarbeitende ein fataler Führungsstil sein kann. Diese Woche geht es um eine Führungsmethode, die effektiver ist und den Mitarbeitenden mit Führung auf Augenhöhe begegnet: das agile Management. Dabei lautet die Devise eher umdenken, neu denken und vor allem innovativ denken. Agilität beschreibt die Fähigkeit, genau das zu tun, sich schnell an Veränderungen anzupassen und so das Überleben des Unternehmens zu sichern. Wie agiles Management funktioniert, lesen Sie in diesem Artikel.
Visionen statt Pläne
Viele Unternehmen finden sich in immer instabileren und wandelbareren Umfeldern wieder. Um unter diesen unbeständigen Bedingungen überleben und wachsen zu können, bedarf es einiges an Wandlungsfähigkeit. Genau das will agiles Management erreichen. Was vorerst meist als Führungskonzept im IT-Bereich und der Softwareentwicklung bekannt war, schwappt zunehmend auch auf andere Bereiche über und ist seither nicht nur eine Methode des Projektmanagements, sondern auch ein Führungsprinzip und eine Organisationsstruktur. Agile Unternehmen richten sich nicht nach konkreten Plänen, die sie in den nächsten fünf oder zehn Jahren abarbeiten wollen, sondern orientieren sich vielmehr an übergeordneten Visionen und Zielen.
Wie viele moderne Organisationsstrukturen setzt auch agiles Management flache Hierarchien voraus. Teammitglieder müssen dabei mit mehr Eigenverantwortung handeln und können kein starres Regelwerk und ständige Kontrolle erwarten. Die Rolle der Führungskraft ist dabei jedoch nicht weniger wichtig oder bedeutsam als in strengen Hierarchien, sie sieht nur etwas anders aus. Denn die Führungskräfte sehen sich der herausfordernden Aufgabe gegenüber, diesen Rahmen für Eigenverantwortung und Autonomie abzustecken. Sie geben Ziele und Werte weiter – wie konkret diese Ziele dann erreicht werden, liegt weitgehend an den Mitarbeitenden selbst.
Vertrauen und Verantwortung als Unternehmenskultur
Als erfolgreiches Beispiel für agile Unternehmen gilt der Audio-Streaming-Dienst Spotify. Die Struktur der Organisation gliedert sich dabei in vier verschieden große Organisationseinheiten, beginnend bei Gruppen mit acht bis zehn Teammitgliedern (Squads) bis zu übergreifenden Communities, denen man freiwillig beitreten kann (Guilds). Die Rolle der Führungskräfte ist dabei vor allem, die grundlegenden Werte, die Gründe für Entscheidungen und aufkommende Probleme zu kommunizieren. Was dadurch erzielt wird, ist eine gemeinsame Ausrichtung und Wertebasis. Diese ermöglicht wiederum Autonomie, da alle Mitarbeitenden auf dieselben Ziele hinarbeiten und eine Vertrauensgrundlage besteht.
Laut einer Befragung des Beratungsunternehmens Kienbaum ist Spotify dabei nicht allein, denn rund 95 Prozent der befragten Unternehmen gaben an, ihr IT-Modell würde sich in Richtung agiler Strukturen entwickeln. Was konkret bedeutet diese Entwicklung für Führungskräfte? Sie werden sich in den kommenden Jahren an diese Veränderung anpassen müssen, wenn sie Teil eines zunehmend agilen Unternehmens sein wollen. Neben der Vermittlung von Werten und der Vorgabe eines Rahmens für Team- und Projektarbeit, gibt es noch weitere Standpfeiler der agilen Führung.
Balance zwischen Autonomie und Kontrolle
Sollen Mitarbeitende eigenverantwortlich handeln, ist eine gut etablierte Fehlerkultur in Unternehmen extrem wichtig. So kann bei Mitarbeitenden die Motivation entstehen, auf eigene Faust neue Ideen zu entwickeln und zu verfolgen, Fehler zu machen und aus diesen dann auch zu lernen. Organisationen schaffen damit Raum für Entrepreneurship innerhalb der eigenen vier Wände (Intrapreneurship). Um den internen Informationsfluss zu ermöglichen und zu fördern, ist Transparenz extrem wichtig. Wenn Wissen für alle Mitarbeitenden eines Unternehmens beispielsweise via Intranet zugänglich ist, läuft Problemfindung und -lösung auch bedeutend schneller ab.
Teams müssen autonomisch handeln können, brauchen aber trotzdem ein gewisses Maß an Struktur. Das gesunde Mittelmaß zwischen Autonomie und Kontrolle zu finden, ist nicht immer einfach und bedarf Übung und Lernfähigkeit. Mittels regelmäßiger Feedbackrunden und laufenden Mitarbeiterbefragungen ist die Führungskraft in der Lage, das eigene Verhalten zu reflektieren und aus Feedback zu lernen. In der agilen Projektarbeit kann es zusätzlich nützlich sein, sich Methoden aus dem Lean Management anzueignen. Eine Methode des Lean Management, die Feedbackschleifen integriert, ist beispielsweise Scrum. Auch Kanban, Daily Huddles oder Gemba Walks können die Agilität erheblich steigern. Trotz zahlreicher Maßnahmen der agilen Führung ist es jedoch stets wichtig, sich nicht zu sehr auf bestimmte Methoden und Regeln zu fixieren, sondern wie das Unternehmen selbst kontinuierlich zu wachsen und seine Fähigkeiten als Führungskraft zu erweitern.
Ist schneller unbedingt besser?
Dass Agilität auch Schattenseiten aufweist, haben Andreas und Jonas im Podcast bereits besprochen (Link). Nicht jede Branche muss mit häufigen komplexen Veränderungen rechnen, die ständige Anpassung bedingen. Tischler sehen sich wahrscheinlich in geringerem Maße mit Change konfrontiert als Softwareingenieure. Das soll nicht heißen, dass diese nicht auch von agilen Ansatzweisen profitieren können, aber eine komplette Änderung der Unternehmensstruktur in Richtung agil und lean und dem damit verbundenen Geld- und Zeitaufwand ist vielleicht nicht für jede Organisation sinnvoll.
Agiles Management setzt immer bei den Führungskräften an. Sind diese mit Arbeitsweisen zufrieden, die sie seit 30 Jahren tagein, tagaus praktizieren, könnten sie erhebliche Einwände gegen eine Umstellung auf agile Methoden haben. Ziehen sie nur halbherzig mit und halten an starren Regelwerken und Hierarchiestrukturen fest, kann das ganze restliche Unternehmen darunter leiden. Emotionale Intelligenz ist gerade für Führungskräfte wichtig, die ihren Mitarbeitenden auf Augenhöhe begegnen wollen. Sind Chefs oder Chefinnen nicht willig oder nicht in der Lage dazu, sich auf eine Ebene mit den anderen Team- oder Abteilungsmitgliedern zu stellen, hat Agilität deshalb keine Chance.
Fazit zu agilem Management
Als agile Führungskraft ist es Ihre Hauptaufgabe, Mitarbeitende zu unterstützen, einen Rahmen für die Projektarbeit festzulegen und übergreifende Werte zu kommunizieren. Ohne agile Führungskräfte funktioniert auch eine Transformation der gesamten Organisation nicht. Lassen sich alle Mitarbeitenden eines Unternehmens auf diese Führungsmethode ein, kann jedoch erheblicher Gewinn verzeichnet werden. Denn steigen die Zufriedenheit und das Engagement der Mitarbeitenden mit dem Einsatz agiler Prozessmethoden, ist der Marktplatz eines Unternehmens gesichert.
Wer immer tut, was er schon kann, bleibt immer das, was er schon ist.
Von Henry Ford, Gründer des Automobilherstellers Ford
Literatur:
Kienbaum: Studie All-Agile-IT (2017)
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