"Arbeit macht mich...": Wenn Google den Satz vervollständigt
Gibt man die drei Wörter „ Arbeit macht mich...“ in die Suchmaschine Google ein, kommen sofort Ausdrücke wie „Arbeit macht mich krank“, „Arbeit macht mich unglücklich“ oder „Arbeit macht mich psychisch fertig“.
Wenn Sie sich mit dem Gedanken beschäftigen, Ihren Job zu kündigen, weil Sie jeden Morgen aufwachen und einfach davonlaufen möchten, da Sie keinen Spaß an Ihrer Arbeit haben, unzufrieden sind oder sogar darunter leiden, sind Sie damit nicht alleine. Umfragen zufolge sind rund 52 % aller Arbeitnehmer in Deutschland unzufrieden mit ihrer aktuellen beruflichen Situation.
Das Gefühl, dass uns die Arbeit zunehmend belastet, uns stresst und sogar krank machen kann kommt also nicht von ungefähr. Der Druck steigt enorm und die Anforderungen wachsen immer weiter an. Solange man ein erfülltes Privatleben hat und alles rund herum so ist, wie man es sich vorstellt, kann eine Dauerbelastung im Beruf, über eine gewisse Zeit hinweg, gemeistert werden. Kommen allerdings hier Schwierigkeiten hinzu oder ist man gesundheitlich angeschlagen, ist es nur eine Frage der Zeit bis man einfach nicht mehr kann. Dabei muss noch gar keine Rede von Burnout sein. Es reicht, wenn man den Sinn seiner Tätigkeit oder eigene Fähigkeiten in Frage stellt und man sich nur noch mit der aktuellen Situation überfordert fühlt.
In diesen Momenten ist es besonders wichtig, auf die Signale des Körpers zu achten. Tut man das nicht, kann dies schwerwiegende Folgen haben. Die häufigsten psychischen Krankheiten, die durch anhaltende Überforderung und Stress entstehen, sind Depressionen, Suchterkrankungen, Schlafstörungen oder motorischen Ticks. Kommt man in Folge dessen in eine Klinik sollen Patienten wieder gesund gepflegt werden, um in ein System zurückzukehren, das sie krank macht.
Unternehmen und Versicherungen zahlen einen hohen Preis
Wer seine Mitarbeiter nur als Erfüllungsgehilfen bei der Gewinnmaximierung behandelt, wird dafür einen hohen Preis zahlen.
Die Zahl an beruflichen Ausfällen und Krankenständen aufgrund von psychischen Erkrankungen steigt stetig - in den letzten 11 Jahren um mehr als 97 %. Im Jahr 2012 wurden bundesweit 60 Millionen Arbeitsunfähigkeitstage aufgrund psychischer Erkrankungen registriert. (Quelle: Bundesministerium für Arbeit und Soziales und Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin: Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit 2014, S. 31)
Während psychische Erkrankungen vor 20 Jahren noch nahezu bedeutungslos waren, sind sie heute die zweithäufigste Diagnosegruppe bei Krankschreibung bzw. Arbeitsunfähigkeit. (Quelle: BKK Gesundheitsreport 2015, S. 247)
Besondere Bedeutung bekommt dieses Thema auch durch die Krankheitsdauer: Die durchschnittliche Dauer psychisch bedingter Krankheitsfälle ist mit 39,1 Tagen dreimal so hoch wie bei anderen Erkrankungen mit 13,3 Tagen. (Quelle: BKK Gesundheitsreport 2015, S. 39)
Die finanziellen Auswirkungen von psychischen Krankheiten sind gravierend. Allein die direkten Krankheitskosten betragen knapp 16 Milliarden Euro pro Jahr, wobei die indirekten Kosten, die durch geminderte Produktivität und Motivation entstehen, noch gar nicht berücksichtigt wurden.(Quelle: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, 2011)
Quelle: psyGA – Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt
Arbeit macht mich krank: Deshalb kommt es dazu
„Menschen können nicht beliebig zu Objekten von Maßnahmen und Optimierung gemacht werden“ sagt der Hirnforscher Gerald Hüther.
Oft ist aber genau das das Ziel großer Unternehmen. Jeder Arbeitsschritt muss optimiert werden, um noch schneller, noch besser, noch effektiver arbeiten zu können. Im Fokus steht der Umsatz und die Zahlen, die das Unternehmen erwirtschaftet.
Zunehmende Schnelligkeit
Heute muss alles viel schneller gehen als früher, Dinge müssen sofort erledigt werden, ohne darüber nachdenken zu können. In Null-Komma-Nichts werden E-Mails beantwortet, wichtige Entscheidungen getroffen, die Abrechnung gemacht, Kundengespräche geführt usw. und das am besten noch alles gleichzeitig. Multitasking lässt grüßen.
Mangelnde Autonomie
Nichts darf man mehr selbst entscheiden. Alle Handlungen geschehen nach einem gewissen Schema, nach Regeln, nach einem genau durchgeplanten Muster. Für jedes Problem gibt es eine bestimmte Lösung, für jede Situation ein Verhalten, das man zeigen soll. Natürlich wird das noch alles schön kontrolliert, um ja keine Individualität aufkommen zu lassen.
Industrialisierung
Wo ist die Grenze zwischen Freizeit und Job? Homeoffice zum Beispiel ist eine tolle Entwicklung, man erspart sich den Verkehr am Weg in die Arbeit, nervige Kollegen oder den nörgelnden Boss. Es wird allerdings schwieriger sich in die Arbeit hineinzudenken und danach abzuschalten. Die Distanz zur Arbeit geht verloren und verschwimmt mit der Freizeit. Wann ist es Zeit aufzuhören an die Arbeit zu denken? Wer sagt mir, dass es für heute genug ist? Ab wann muss ich keine Telefonate mehr entgegennehmen, oder meine Email checken?
Leichte Ersetzbarkeit
Es wird immer Menschen geben, die uns ersetzen können, die darauf warten, dass wir aufgeben, um unsere Arbeit zu übernehmen, um diese schneller und billiger zu erledigen. Mit diesem Gedanken im Hinterkopf muss man erst einmal zurechtkommen. Je weniger Individualität und spezielles Wissen in unserer Tätigkeit steckt, umso schneller können wir einfach ausgetauscht werden. Wir stehen unter ständigem Druck unsere Fähigkeiten und unseren Elan Tag für Tag aufs Neue unter Beweis zu stellen.
Mangelnde Anerkennung
Immer wieder zeigt sich das gleiche Schema. Je besser die Arbeit, desto mehr Arbeit. Statt die gute Arbeit von Mitarbeitern zu würdigen und anzuerkennen wird meist einfach nur erkannt, dass hier noch Spielraum nach oben besteht. Bis der Mitarbeiter so viel Arbeit hat, dass er sie nicht mehr gut machen kann, überfordert ist, keinen Spaß mehr an der Sache hat und vor allem auch keinen Sinn mehr darin sieht, sich anzustrengen.
Ein klassisches Beispiel dazu: Ein Postbote, nennen wir ihn Hans, der seit jeher seine Arbeit gerne macht, soll die Zustellung von Paketen übernehmen. Er freut sich über seine neue Aufgabe und ist motiviert diese gut zu erledigen. Hans beeilt sich immer sehr auf der Runde, um pünktlich Feierabend machen zu können. Manchmal ist er sogar etwas schneller wieder zurück und freut sich, dass sein Elan durch ein paar Extraminuten belohnt wird. Ein Lob für seine gute Arbeit hat er von seinem Vorgesetzten noch nie bekommen, aber er ist zufrieden. Schnell beginnen seine Kollegen sich zu beschweren, er solle doch nicht so schnell arbeiten, sonst würde für alle der Zustellradius vergrößert werden. Hans macht sich nicht weiter Sorgen, obwohl es ihn schon etwas stört, dass seine Kollegen ihm die Freude verderben wollen. Keine zwei Monate später wird ein Kollege entlassen, Grund dafür sind Einsparungsmaßnahmen. Das Liefergebiet wird auf die übrigen Mitarbeiter aufgeteilt, die so jeden Tag mindestens eine bis zwei Stunden länger für die Auslieferung brauchen.
Es wird nur noch gefordert, ohne den Mitarbeitern in Form von Anerkennung etwas zurückzugeben. Derjenige, der sich bemüht und motiviert ist, wird ausgenutzt und solange „ausgesaugt “ bis nichts mehr rauszuholen ist. Dann wird er ausgetauscht. Das klingt sehr hart, ist allerdings in vielen Unternehmen der normale Alltag.
Alles in allem gibt es genügend Gründe warum Google den Satz „Arbeit macht mich...“ mit negativen Worten wie „krank“ oder „depressiv“ vollendet. Im Gegensatz dazu gibt es allerdings auch viele Gründe dafür, warum Arbeit einen wichtigen Teil unseres Lebens einnimmt und unsere psychische Gesundheit stärkt.
Kommende Woche wollen wir näher auf das Thema "Arbeit macht mich glücklich" eingehen und herausfinden, welche verschiedenen Einstellungen es diesbezüglich gibt.
Haben Sie das Gefühl, dass Ihre Arbeit einen negativen Einfluss auf Sie hat, oder sogar krank macht? Kennen Sie Menschen in Ihrem näheren Umfeld, die stark unter ihrem Job leiden und am liebsten kündigen würden?
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Arbeit macht langfristig entweder Spaß oder krank
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Kommentar von Halbvoll19 |
Das ironische ist, dass davon vor allem auch Ärzte betroffen sind, die für die Gesundheit anderer sorgen sollen. Dabei kann ich schon verstehen, dass das am immer grösseren Pensum für Ärzte und Pfleger liegt.
Antwort von Anna Grunwaldt
Hallo,
vielen Dank für den Kommentar. Da haben Sie natürlich recht. Personal aus dem Gesundheitswesen bleiben von den gesundheitlichen Folgen von übermäßigen Stress und Druck nicht verschont, auch wenn dies ironisch klingt.
Herzliche Grüße
Anna Grunwaldt