Steigendes Arbeitspensum: Im Teufelskreis der Zeit
Die Wirtschaft entwickelt sich immer weiter in Richtung Leistungskultur. Jedes Jahr wird mehr und mehr von Mitarbeitern gefordert. Das Arbeitspensum und die Arbeitsleistung steigen jährlich an, doch die Arbeitszeit bleibt (zumindest in der Theorie) gleich. Arbeitgeber und Konzerne haben natürlich keinen Anreiz dafür etwas zu verändern, sie schrauben die Ziele nur noch weiter nach oben. Werden diese hoch angesetzten Ziele dann doch mit Ach und Krach erreicht, gelten diese als neuer Maßstab.
Ob ein Mensch ein solch hohes Arbeitspensum auf Dauer aufrecht erhalten kann ist allerdings fraglich. Vielleicht kennen Sie diese Situationen selbst aus stressigen Zeiten in der Arbeit, man fängt an sich selbst und auch andere, z.B. Familie und Freunde zu vernachlässigen. Nicht ausreichend Schlaf, zu wenig Pausen, wenig Freizeit und Ausgleich zur Arbeit, Überlastung und Überforderung, dazu isst man häufig unregelmäßig und achtet nicht mehr auf eine gesunde Ernährung. Hin und wieder geht man vielleicht sogar noch kränklich zur Arbeit, weil das die Kollegen auch so machen oder man Angst um seinen Job hat. All diese Dinge schwächen unseren Körper und können auf lange Sicht auch krank machen. Ein paar Wochen oder Monate ist ein Mensch im Stande, solch stressige Zeiten ohne Schäden zu überstehen, manche kürzer, manche vielleicht auch länger. Lässt das Arbeitspensum aber überhaupt nicht mehr nach, wird uns unser Körper irgendwann ein Veto einlegen und in einen Streik treten. Im schlimmsten Fall endet dieser Weg im Krankenhaus oder in einer Klinik.
Der Teufelskreis der Zeit
Es gibt immer mehr neue Technologien, die uns das Leben vereinfachen und uns vor allem auch Zeit sparen sollen. Nachdem die meisten Menschen nach Arbeitszeit bezahlt werden und nicht nach dem Arbeitsvolumen, wird die Zahl sowie die Komplexität der Aufgaben, die in dieser Zeit zu erledigen sind, ständig erhöht. Der daraus entstandene Zeitgewinn resultiert also schlussendlich in noch mehr Arbeit. Wir können ja schließlich nicht einfach früher nach Hause gehen, weil wir unsere Aufgaben bereits erledigt haben. Das heißt, dem Arbeitspensum und der Schnelligkeit der Arbeit sind nach oben hin keine Grenzen gesetzt. Technologie macht’s möglich. Dass der Mensch aber durchaus Grenzen in der Leistungsfähigkeit besitzt, möchte noch niemand wirklich wahrhaben.
Selbstgefährdendes Verhalten durch Stress
Eine Studie des Projektes Gesundheitsmonitor aus dem Jahr 2015 von der Bertelsmann Stiftung und Barmek GEK konnte zeigen, dass Stress am Arbeitsplatz und immer höhere Zielvorgaben nicht nur die Gesundheit von Mitarbeitern gefährdet, sondern auch das selbstgefährdende Verhalten fördert.
Der immer weiter steigende Ergebnisdruck bringt Mitarbeiter dazu, über ihre Leistungsgrenzen hinweg zu arbeiten. Laut dieser Studie arbeiten rund 25 % aller Beschäftigten in Deutschland mit einem Tempo, dass sie ihrer Meinung nach nicht auf längere Sicht durchhalten können. Dabei geraten bereits 18 % immer wieder an ihre persönliche Leistungsgrenze und 23 % gönnen sich überhaupt keine Pause von der Arbeit.
Darüber hinaus geben 42 % der Beschäftigten an, ständig von steigendem Leistungs- und Ergebnisdruck umgeben zu sein und jeder Dritte weiß gar nicht mehr, wie all diese Anforderungen bewältigt werden sollen.
Diese Spirale von Erfolgserlebnissen durch die Erreichung der Unternehmensziele und die darauf folgende Erhöhung der Messlatte neuer Standards kann man nicht so leicht entrinnen. 51 % der Arbeitnehmer haben keinen oder nur geringen Einfluss auf das Arbeitspensum, das sie leisten müssen.
Einfluss auf das Arbeitspensum
Den größten Effekt auf das selbstgefährdende Verhalten und auf die Beanspruchung in der Arbeit hat der eigene Handlungs- und Entscheidungsspielraum. Selbst entscheiden zu können, welches Arbeitspensum möglich ist und welche Ziele erreichbar sind hat einen positiven Einfluss auf die Arbeitszufriedenheit und das Wohlbefinden der Mitarbeiter. Indirekte Steuerung und kein Mitspracherecht auf die Zielsetzung und der Menge an Arbeit zu haben, kann sich hingegen negativ auf die Mitarbeiter auswirken. Ziele zu setzten, auch wenn diese von der Führungskraft aufgestellt werden, haben prinzipiell einen positiven Effekt. Allerdings nur, wenn diese auch in der gesetzlich vorgegebenen Arbeitszeit, ohne Überstunden zu machen, erreicht werden können.
Das Ende des Teufelskreises
Um dieser Spirale, diesem Teufelskreis zu entkommen, muss man der heutigen Leistungskultur in Unternehmen gegensteuern. Mithilfe der folgenden Punkte können die ersten Schritte getan werden, um eine Veränderung in Gang zu setzen. Nur so kann selbstgefährdendes Verhalten und unzumutbare Belastungen der Mitarbeiter reduziert werden und so die Gesundheit auf lange Sicht geschützt werden.
Realistische Zielvorgaben setzen
Wie oben schon erwähnt sind Ziele prinzipiell etwas Positives. Allerdings muss darauf geachtet werden, dass die Zielvorgaben realistisch sind und auch in einer gewissen Zeit erreichbar sind. Am besten ist es, wenn die Ziele zusammen mit den Mitarbeitern besprochen und auf ihr Leistungsvermögen angepasst werden und von den Mitarbeitern auch direkt beeinflusst werden können. Den Druck durch die ständigen Leistungssteigerungen und den surrealen Zielsetzungen, die immer nur noch wettbewerbsorientierter sind und nicht auf den Menschen abgestimmt werden, können Mitarbeiter auf lange Sicht nicht standhalten.
Werden Ziele hingegen richtig eingesetzt, können sie Unsicherheiten der Mitarbeiter verringern, da sie helfen, Struktur und auch Prioritäten in ein Projekt zu bringen.
Angemessene Leistungskultur etablieren
Das langfristige Arbeiten an der eigenen Leistungsgrenze kann nicht nur für Mitarbeiter erhebliche Schäden mit sich bringen, sondern auch für das Unternehmen selbst. Kurzfristig werden zwar gesetzte Ziele erreicht und geplante Zahlen umgesetzt, der Erfolg wird allerdings nicht von Dauer sein. Um sich am Markt nachhaltig entwickeln zu können, ist es unabdingbar eine angemessene Arbeits- und Leistungskultur zu etablieren, in der auf die Mitarbeiter und ihre Leistungsgrenzen eingegangen wird und auch auf die Gesundheit dieser geachtet wird. Dabei steht wie so oft die Kommunikation an erster Stelle. Es sollte Mitarbeitern möglich sein, es offen sagen zu können, wenn die Anforderungen und Beanspruchungen zu viel werden oder das tägliche Arbeitspensum zu hoch angesetzt wird. Noch besser wäre es, die indirekte Steuerung von oben zu reduzieren. Wenn die Mitarbeiter selbst bei Zielsetzungen mitwirken könnten, würde es gar nicht so weit kommen.
Eigenverantwortung zeigen
Natürlich kann man für ein selbstgefährdendes Verhalten der Mitarbeiter nicht ausschließlich das Unternehmen verantwortlich machen. Es ist für jeden Mitarbeiter von großer Bedeutung die eigenen Leistungsgrenzen zu kennen und zu reflektieren, wann diese erreicht sind. Dann ist es an der Zeit den eigenen Ehrgeiz zurückzuschrauben und einen Gang herunterzuschalten. Oft wollen Unternehmen einfach die Grenzen des Möglichen austesten und sehen, was noch herauszuholen ist. Bei diesem Spielchen muss man aber nicht mitspielen und sollte ganz offen kommunizieren, dass dieses Arbeitspensum auf Dauer nicht durchzuhalten ist.
Die Studie dazu finden Sie hier: Gesundheitsmonitor
In der einen Hälfte des Lebens opfern wir unsere Gesundheit, um Geld zu erwerben. In der anderen Hälfte opfern wir Geld, um die Gesundheit wiederzuerlangen.
von Voltaire
Literatur
- Chevalier A., Kaluza G. (2015). Indirekte Unternehmenssteuerung, selbstgefährdendes Verhalten und die Folgen für die Gesundheit. Gesundheitsmonitor.
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Kommentar von Wittmann |
Sehr geehrter Herr Kerneder, wie ich lese, sind Sie auch ein Konsumentensklave. Die Politik, Wirtschaft, Medien und Großkonzerne bestimmen was die Leute zu tun haben.
Es werden Dinge produziert und beworben den Menschen gesagt das brauchst du und die Konsumieren dann. Deswegen werden die Reichen immer reicher und die Dummen immer Dümmer.
Wieso werden die Menschen immer für Blöd verkauft, ganz einfach. es wird Ihnen bereits im Kindergarten beigebracht.
Albert Schweitzer hat einmal geschrieben: Ich will ein freiheitsliebender Mensch sein. Ludwig Erhard hat die freie Marktwitschaft eingeführt, wo ist die denn heute.
Früher hat man etwas hergestellt wenn man es gebraucht hat. Heute wird auf Halde produziert um den Konsumenten, das Geld aus der Tasche zu ziehen. Das nennt man auch Wegelagerei. Ulm. Grüßle WW
Antwort von Carina Andorfer
Lieber Herr Wittmann,
Vielen Dank für Ihr Kommentar und Ihre Ansichten zu diesem Thema. In gewisser Weise sind wird doch alle vom Konsum getrieben und auch finanziell davon abhängig. In manchen Punkten kann ich Ihnen dabei nur zustimmen. Unsere Konsumgesellschaft und die daraus entstehende "Weg-Werf-Kultur" zeigt sich auch immer mehr am Arbeitsmarkt. Mitarbeiter werden ausgebeutet und das Arbeitspensum steigt, bis sie ihre geforderten Leistungen nicht mehr erbringen können, dann werden Sie einfach ausgetauscht und ersetzt. Das Wort Nachhaltigkeit ist zu einem Fremdwort geworden.
Liebe Grüße,
Carina Andorfer