Auf den Kern gebracht #11: Digital Leadership
Mit dem laufenden Fortschritt der Digitalisierung und der Arbeitswelt 4.0 verändern sich die Anforderungen an Unternehmen ständig. Dadurch werden auch neue Fähigkeiten von Führungskräften erwartet. Digital Leadership, oder Leadership 4.0, soll einen Führungsstil beschreiben, der den digitalen Wandel im Unternehmen fördert. Als Digital Leader fördert man dabei Entwicklungsprozesse durch Change-Management, um die Agilität und die Flexibilität des Unternehmens zu steigern und dadurch marktfähig zu bleiben. Welche konkreten Eigenschaften ein Digital Leader haben muss und welche Tools dabei genutzt werden können, lesen Sie im elften Teil der Reihe „Auf den Kern gebracht“.
Führung im Digitalzeitalter
In der Zeit des Industriezeitalters und der Massenproduktion sah erfolgreiche Führung noch ganz anders aus als jetzt. Im 19. Und 20. Jahrhundert wurde viel Energie darauf verwendet, Veränderungen zu meiden und möglichst versucht, in Effizienz- und Einsparprogramme zu investieren. Entscheidungen wurden top-down getroffen und es war Gang und Gebe, strikte Regel- und Kontrollsysteme zu etablieren. Menschen mit Einzelkämpfer-Mentalität hatten es leichter, an die Spitze zu kommen. Um die Kontrolle möglichst bei sich zu behalten, wurden Unterordnung und Gehorsam von den Mitarbeitenden erwartet.
Mit der zunehmenden Digitalisierung ist diese starre Sicht auf Unternehmenskultur nicht mehr zeitgemäß. Die Entwicklung der Wirtschaft ist inzwischen unvorhersehbar und kann so auf Unternehmen, die nicht auf Wandel ausgerichtet sind, zerstörerisch wirken. Die erfolgreiche Führung im Digitalzeitalter zeichnet sich deshalb durch einen hohen Grad an Agilität und Selbstorganisation aus, um mit dem Innovationsdruck mithalten zu können. Die Hierarchien werden zunehmend flacher, und es werden laufende Systemveränderungen und -verbesserungen durchgeführt.
Generell liegt jedem guten Führungsstil strategisches Vorgehen zugrunde, das die Stärken des Unternehmens nutzt, um wirtschaftliche Ziele zu erreichen. Hinzu kommt beim Digital Leadership noch, dass die Digitalisierung so gut wie möglich eingesetzt wird, um Prozesse auf allen Ebenen zu optimieren.
Kompetenzen eines Digital Leaders
Die Eigenschaften von Digital Leadership agieren auf drei Ebenen. Die erste Ebene verlangt Kompetenzen, mit denen es möglich wird, das digitale Ökosystem erfolgreich zu managen. Die zweite, zwischenmenschliche Ebene beschreibt die Fähigkeit, Mitarbeitende agil und selbstreflektiert zu führen. Kompetenzen der dritten Ebene machen es möglich, Unternehmen so zu gestalten, dass sie Veränderungen optimal manövrieren können (Reinhardt & Lueken, 2019).
Management der digitalen Umwelt
Um als Führungskraft auf dem neuesten Stand der Technik zu bleiben ist es unerlässlich, sich ein gewisses Maß an IT-Fachkenntnissen und Medienkompetenzen anzueignen. Auch den Mitarbeitenden gegenüber sollte eine positive Haltung bezüglich technischen Fortschrittes eingenommen werden, damit das ganze Unternehmen von der Digitalisierung profitieren kann. Eine weitere wichtige Kompetenz ist der Umgang mit den Prozessen, die mit einem komplexen Umfeld einhergehen, welche z. B. durch Beratung erlernt werden kann.
Führung durch Selbstführung
Um laufende Systemoptimierungen gewährleisten zu können, ist die aktive Einbringung der Mitarbeitenden unabdingbar, da sie oft mehr Bezug zu den jeweiligen Tätigkeitsbereichen und Arbeitsabläufen haben als ihre Vorgesetzten. Dies kann erreicht werden durch die Förderung von Intrapreneurship und von agilen Arbeitsweisen. Beides sind wichtige Kompetenzen eines Digital Leaders. Nach dem Motto „Führung durch Selbstführung“ (auch Superleadership genannt) geht die Führungskraft mit gutem Beispiel voran und sorgt dafür, durch Selbstmanagement ein gutes Vorbild zu sein. Denn sind die Führungskräfte in der Lage, ihre Leistung eigenverantwortlich zu steuern und ihre Stärken und Schwächen zu managen, fällt dies auch den Mitarbeitenden leichter. Eine gute Fehlerkultur im Unternehmen ist dafür unerlässlich.
Smarte Unternehmenssteuerung
Um ihr Unternehmen möglichst „wetterfest“ zu machen, sollte ein Digital Leader die Fähigkeit mitbringen, Veränderungsprozesse umsichtig steuern zu können. Und zwar sowohl inhaltlich, als auch auf emotionaler Ebene. Kommunikationsfähigkeit und -bereitschaft sind ebenso wichtig, um unterschiedliche Handlungsoptionen sachlich diskutieren zu können. Entscheidungsfähigkeit ist notwendig, um als Digital Leader aktiv zwischen diesen Handlungsoptionen entscheiden zu können.
Soft Skills
Die Abkehr von strengen Hierarchien bedeutet eine engere Zusammenarbeit zwischen den Teammitgliedern im Unternehmen. Um diese gewinnbringend zu gestalten, benötigt ein Digital Leader eine Reihe an Soft Skills, die traditionelle Führungskräfte nicht unbedingt mitbringen müssen. Unter anderem braucht es ein hohes Maß an Geduld und Fingerspitzengefühl, um mit Wandel umgehen zu können. Ein Verständnis von den Stärken und Schwächen unterschiedlicher Generationen und Menschen im Unternehmen befähigt einen Digital Leader, seine Mitarbeitenden optimal zu organisieren. Ein gutes Gefühl für Teambildung und ein hohes Maß an Flexibilität sorgen für Anpassungsfähigkeit. Ebenso wichtig für den zwischenmenschlichen Umgang ist Empathie, um Raum für die Entstehung eines Vertrauensverhältnisses zu schaffen.
Führungsstile eines Digital Leaders
Generell gibt es kein spezifisches Führungsmodell, das ein Digital Leader strikt verfolgt. Es geht eher darum, eine Kombination verschiedener Methoden anzuwenden, die flexibel an Situationen angepasst werden. Im Folgenden werden zwei Ansätze vorgestellt, die für Führung im Digitalzeitalter hilfreich sind.
VOPA+-Modell
Das VOPA+-Modell soll das Unternehmen zu einem Ort machen, an dem Zusammenarbeit und Austausch in einer Weise geschehen können, in der sich Mitarbeitende wohlfühlen. Dadurch steigt die Zufriedenheit der Mitarbeitenden und ihre Produktivität. Die Basis für dieses Modell ist gegenseitiges Vertrauen, für welches das Plus steht. VOPA steht für die Umsetzung von Vernetzung (V), Offenheit (O), Partizipation (P) und Agilität (A).
SMART-Modell
Das SMART-Modell kommt aus dem Projektmanagement und kann helfen, gemeinsame Ziele besser zu formulieren und dadurch griffiger und erreichbarer zu gestalten. Dabei geht es bei diesen Zielen nicht um Kontrolle, sondern eben um die aktive Einbindung der Mitarbeitenden. SMART steht als Akronym für spezifisch (S), messbar (M), attraktiv (A), realistisch (R) und terminiert (T). Wird ein Ziel entsprechend dieser Kriterien formuliert, ist es leichter umzusetzen und gut überprüfbar.
Zusätzlich gibt es eine Reihe weiterer Führungsstile, die eingesetzt werden können, wenn es die Situation erfordert. Ein Digital Leader kann anleitend, kollaborierend, partizipierend oder motivierend auftreten, oder je nach Anforderungen als eine Kombination davon.
Fazit für Digital Leadership
Eine Befragung von Crisp Research, einem IT-Research- und Beratungsunternehmen, an über 500 Business- und IT-Entscheidern kam zu dem Ergebnis, dass über 70 Prozent der Befragten als „Digital Beginner“ galten. Als „Digitale Visionäre“ wurden nur drei Prozent eingestuft, dabei würden sich nach eigenen Angaben fast 40 Prozent der Befragten als Digital Leader einstufen. Es existiert also eine beträchtliche Diskrepanz zwischen der Selbstwahrnehmung und den Testergebnissen. Wollen Führungskräfte auch in Zukunft den Marktwert ihrer Unternehmen absichern, kann es nicht schaden, sich einige der Skills eines Digital Leaders anzueignen. Agilität, Flexibilität und eine smarte Zielsetzung sind Schritte in die richtige Richtung, um in einer digitalen, unvorhersehbaren und disruptiven Wirtschaft Erfolge verzeichnen zu können.
Es gibt keine schlechten Mannschaften, Marschall. Es gibt nur schlechte Offiziere.
von Napoleon I. Bonaparte, französischer Feldherr und Kaiser
Literatur:
Reinhardt, K., & Lueken, S. 1. Digital Leadership Exzellenz–Kompetenzmodell für erfolgreiche Führung im digitalen Zeitalter.
Crisp Research, Digital Leader – Leadership im digitalen Zeitalter. Aufgerufen über https://www.crisp-research.com/digital-dream-leadership-im-digitalen-zeitalter-definiert-traditionelles-management-neu/
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Kommentar von Paul Rauch |
Hallo Selina,
danke für diesen Artikel. Er faßt wesentliche Punkte gut zusammen, läßt aber meines Erachtens die Rolle von Empathie, Vertrauen und emotionale Intelligenz außen vor. Ich bin mir sicher, dass gerade in der Zeit der räumlichen Distanz diese Merkmale ein wesentlicher Aspekt einer exzellenten, digitalen Führung sind. Meine Erfahrung hat gezeigt, dass man seine Mitarbeiter nicht alleine lassen darf. Sie brauchen die Fürsorge und Zuwendung, damit eine gute Zusammenarbeit stattfinden kann.
Viele Grüße
Paul
Antwort von Selina Kern
Hallo Paul,
Vielen Dank für dein Feedback. Ich stimme dir völlig zu! Gerade in der aktuell sehr unsicheren Arbeitswelt sind Empathie und Mitgefühl enorm wichtige Kompetenzen für Führungskräfte. In einem neueren Artikel zum Thema Führung in Krisenzeiten zeige ich auch Studienergebnisse auf, die genau diese These unterstützen.
Liebe Grüße,
Selina