Entscheidungshilfen: Formeln der Psychologie
Sie stehen vor einer großen Entscheidung und so viel Sie sich auch darüber den Kopf zerbrechen, Sie können sich einfach nicht entscheiden. Es scheint vielleicht sogar eher so, als würde die Qual der Wahl mit zunehmender Bedenkzeit noch zunehmen. Vor diesem Problem stehen die meisten Menschen an dem einen oder anderen Punkt in ihrem Leben. Die psychologischen Vorgänge, die Entscheidungsfindungen so schwer machen, wurden in einem Artikel vor wenigen Wochen schon thematisiert. Konkrete Formeln der Psychologie im Sinne von praktischen Methoden und Entscheidungshilfen, die in allen möglichen Lebenslagen helfen können, lesen Sie in diesem Artikel von zweikern.
Warum Entscheidungshilfen?
Der wahrscheinlich häufigste Rat für gute Entscheidungen ist, sich auf das Bauchgefühl oder die Intuition zu verlassen. Sich einfach zu entscheiden und dabei auch zu bleiben. Dieser Tipp mag für viele Entscheidungen des Alltags auch wunderbar funktionieren. Handelt es sich jedoch um größere Entscheidungen, die erheblichen Einfluss auf den weiteren Verlauf des Lebens nehmen können, wie beispielsweise ein Jobwechsel, kann die Intuition alleine oft nicht weiterhelfen. Bei diesen wichtigen Entscheidungen können Entscheidungshilfen enorm stützend wirken. Durch spezielle Formeln und Methoden werden Optionen abgewogen und das Risiko minimiert, eine „schlechte“ Entscheidung zu treffen, die man später bereut.
Vor allem dann, wenn die Folgen, Reichweite oder Alternativen einer Entscheidung unklar sind, können Entscheidungshilfen zu mehr Klarheit verhelfen. Zusätzlich zur fairen Abwägung der vorhandenen Optionen zeigen sie auch einen psychologischen Effekt: Sie nehmen uns zu einem gewissen Grad die Verantwortung ab. Dadurch lassen Angst und Druck nach und man kann wieder klarer denken. So kann es auch leichter fallen, die getroffene Entscheidung im Anschluss nicht zu hinterfragen und sich nicht mit Zweifel zu quälen. Es gibt dabei (leider) nicht die eine ultimative psychologische Formel, die richtige Entscheidungen garantiert, aber trotzdem können in verschiedenen Situationen unterschiedliche Hilfestellungen verwendet werden.
1. Pro-und-Contra-Liste
Die bekannte Pro-und-Contra-Liste ist nichts neues oder aufregendes, und doch ist sie ein altbewährtes Mittel, sich seiner Gedanken klarer zu werden. Je nach Thema der Entscheidung können Optionen einfach aufgrund von Plus- und Minuspunkten verglichen werden, man kann die Liste aber auch komplexer gestalten. Ein qualitativer Vergleich könnte beispielsweise bestimmte Punkte stärker gewichten als andere. Ein neuer Job könnte dabei sehr gut bezahlt sein, ist aber die Nähe zur Familie eine persönliche Priorität, könnte der Standort des Jobs schwerer gewichtet werden als das Gehalt.
2. Entscheidungsbaum
Ein Entscheidungsbaum ist im Vergleich zur Pro-und-Contra-Liste etwas komplexer aufgebaut und kann vor allem dann hilfreich sein, wenn bereits deutliche Präferenzen existieren. Man beginnt dabei links am Blatt mit der Auflistung verschiedener Handlungsoptionen und jede Abzweigung des Baumes stellt Handlungsalternativen dar. Man vergleicht dabei immer die Optionen einer Stufe miteinander, und lässt den „Verlierer“ hinten. Dann vergleicht man die übriggebliebenen Optionen und schließt wieder eine Option aus, bis nur mehr eine Handlungsmöglichkeit übrigbleibt. Diese ist der „Gewinner“.
3. 10-10-10-Modell
Bei Entscheidungen, die langfristige Auswirkungen haben, kann die 10-10-10-Methode durch den Perspektivwechsel zu mehr Klarheit verhelfen. Dabei wird über die möglichen Konsequenzen einer Entscheidung in zehn Minuten, in zehn Monaten und in zehn Jahren nachgedacht. Vor allem bei der Ausbildungs-, Karriere- oder Partnerwahl könnte diese Methode hilfreich sein. Manche Entscheidungen können vielleicht in zehn Monaten noch anstrengend sein, könnten langfristig aber die richtige Wahl darstellen. Natürlich kann man nie wissen, was in einigen Monaten oder Jahren wirklich passiert, jedoch bekommt man so ein besseres Verständnis dafür, wo man selbst gerne stehen würde oder was man auf gar keinen Fall machen möchte.
4. Entscheidungsmatrix
Die Entscheidungsmatrix erfolgt ebenfalls in Listenform. Hierbei wird zuerst jede Möglichkeit in eine Spalte geschrieben. Anschließend werden Bewertungskriterien festgelegt, anhand welcher jede Option beurteilt wird. Diese Beurteilung kann in Form von Noten oder Punkten stattfinden, und für jede Option werden schließlich die Noten oder Punkte addiert. Die Option, die die meisten Punkte oder die beste Note über die Kategorien hinweg abräumt, wäre somit die beste Entscheidung. Bei dieser Methode ist zu beachten, dass möglichst alle relevanten Beurteilungskriterien beachtet werden sollen, um ein wirklich faires Ergebnis zu bekommen.
5. Consider-all-facts-Methode
Die Consider-all-facts-Methode (CAF-Methode) wurde entwickelt vom Kognitionswissenschaftler Edward de Bono. Sie ist eine der genausten und umfangreichsten Entscheidungshilfen, denn es werden so viele Informationen, Einflussfaktoren und Randbedingungen wie möglich berücksichtigt. Alles, was bei der Entscheidungsfindung beachtet werden sollte, wird nach dem Grad der Wichtigkeit und Relevanz aufgelistet. Eine Spalte daneben kann zum Ordnen von Notizen und Gedanken bezüglich der entsprechenden Punkte genutzt werden. Bei der CAF-Methode werden die Vor- und Nachteile aller Handlungsalternativen abgewogen, was zwar zu einer sehr langen Liste führen kann, die dafür aber einen sehr genauen Überblick über alle Eventualitäten bietet.
Fallen Ihnen Entscheidungen grundsätzlich schon schwer, ist auch die Wahl einer Entscheidungshilfe wahrscheinlich keine leichte. Jede der Methoden hat eigene Stärken und Schwächen, wodurch sie zu Entscheidungen in manchen Lebensbereichen besser passen als in anderen. Bevor man sich für eine Methode entscheidet, sollte man sich über einige wesentliche Merkmale der bevorstehenden Entscheidung klar werden. Entscheidungen, die kurzfristige Auswirkungen haben (z. B. einen Arbeitsauftrag annehmen), bedürfen wahrscheinlich anderer Techniken als solche, die sich langfristig auswirken (z. B. ein Umzug). Ebenso kann die Informationsmenge, über die man verfügt, unterschiedlich groß sein. Je mehr Informationen über verschiedene Handlungsoptionen vorhanden sind, desto analytischer kann man vorgehen. Verfügt man über weniger Informationen, kann ein größerer Fokus auf das Bauchgefühl gelegt werden.
Fazit zu Entscheidungshilfen
Im Zweifel gilt: Probieren geht über Studieren. Oft sieht man bei Entscheidungen den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr. Entscheidungshilfen lichten diesen Wald und versuchen, Struktur und Ordnung in das Gedankenchaos zu bringen. Funktioniert die eine Methode nicht, kann man eine zweite hinzuziehen oder auch mehrere kombinieren. Und ist man mit der gefundenen Entscheidung am Schluss trotzdem unzufrieden, war das Verfahren insofern nützlich, als dass man nun zumindest weiß, was man nicht möchte.
Das Risiko falscher Entscheidungen ist dem Schrecken der Unentschlossenheit vorzuziehen.
Von Maimonides, jüdischer Philosoph
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