Das Großraumbüro: Unternehmenskommunikation auf dem Prüfstand
Das Großraumbüro. Kommunikationsfluss und Kreativität im Unternehmen durch das Auflösen von räumlicher Trennung. Geht das wirklich so einfach, oder sind wir auf einen Medienschwindel hereingefallen? zweikern deckt auf, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit das allseits gefürchtete Großraumbüro einen positiven Beitrag zur Unternehmenskommunikation leistet.
Flackerndes Licht, das jede Überstunde im Gesicht Ihres Kollegen zutage bringt, kahle Wände, die höchstens mit einem Motivationsposter à la Barney Stinson geschmückt sind, stickige Luft, die jeden kreativen Gedanken wie eine Seifenblase zerplatzen lässt. Klingt nach einem postapokalyptischen Zustand in einem Terminatorfilm, ist aber für viele Arbeitnehmer in Bürojobs Realität: Das Großraumbüro. Von innovativen Großfirmen als Revolution produktiver Zusammenarbeit gefeiert, kriegt die aalglatte Betonfassade nun Risse.
Großraumbüros sind von Leuten gemacht, die nicht darin arbeiten müssen
Das Großraumbüro, 1958 aus dem Schoß eines Möbelhausfabrikanten entsprungen, ist seit Langem keine Seltenheit mehr. Als so genannte „Bürolandschaft“ ins Leben gerufen, wurde das Konzept schnell von neu auftauchenden Firmen wie Google und Apple aufgenommen, gefeiert, propagiert.
Der offizielle Grund für den Großraumbüro - Hype ist, dass das Arbeiten in einem Großraumbüro das Teamwork fördern soll, die Kommunikationswege kürzer sind, als in herkömmlichen Einzelbüros und dementsprechend die gesamte Unternehmenskommunikation vom räumlichen Zusammenarbeiten profitiert. Also: Produktivität durch Austausch. Der inoffizielle Grund liegt auf der Hand: 20 % weniger Energie- und Mietkosten.
Die Idee des Großraumbüros ist ein Kind des Kapitalismus. Als ein Mitarbeiter unter Vielen, bekommt man tagtäglich zu spüren, wo man hingehört. Das Ziel: ein Einzelbüro mit der Möglichkeit von Privatsphäre, in greifbarer Nähe. Die Unternehmenshierarchie wird also auch in der Bürogestaltung sicht- und erlebbar. So ein Zustand fühlt sich bei falscher Handhabe schnell nach Käfighaltung statt nach innovativem Zusammenkommen mit produktivem Ergebnis an.
Die Studienlage
Auch Studien zeigen, dass die Lichtgestalt Großraumbüro nicht halten kann, was sie verspricht: ein ständiger Geräuschpegel, laut wie eine Waschmaschine im Schleudergang, schwer zu regulierende Temperaturen, Zugluft und erhöhte Ansteckungsgefahr machen den Mitarbeitern zu schaffen. Durch diese kognitive Beanspruchung gehen rund 1 ½ Stunden produktive Arbeit pro Tag verloren, weil sich Mitarbeiter keine kurzen erholsamen Pausen in einer ruhigen Umgebung nehmen können, wenn sie sie benötigen.
Doch das größte Manko ist wohl, dass sich die Mitarbeiter in einem Großraumbüro ständig kontrolliert, beobachtet und belauscht fühlen. Da das menschliche Gehör auf sprachliche Kommunikationswahrnehmung getrimmt ist, verfolgt man automatisch Gespräche mit, die laut genug sind, um sie akustisch zu verstehen. Dementsprechend erwischt man sich oft selbst dabei, wie man die Gespräche von Kollegen mithört. Die Konsequenz aus der fehlenden Privatsphäre ist Rückzug, Abschottung und weniger interne Kommunikation als in einer Arbeitsumgebung mit Einzelbüros. Das pervertierte Ergebnis dieser räumlichen Umstrukturierung zeigt eine Harvard Studie: Der persönliche Austausch zwischen den Mitarbeitern geht nach Einführung eines Großraumbüros um 70 % zurück. Zugleich steigt die Anzahl der gesendeten Emails um 20 bis 50 %.
Die Umstrukturierung der Büros mit dem Zweck einer verbesserten Unternehmenskommunikation hat also genau das Gegenteil hervorgebracht. Es bleibt nun die Frage offen, wie man die Benefits eines Großraumbürokonzepts für seine eigene Firma herausfinden kann.
Die zweikern Lösungsansätze
Eines sollte klar sein: Wer meint, das Erfolgsmodell eines Großkonzerns auf seine Firma überstülpen zu können, der ist schief gewickelt. Eine räumliche Umgestaltung erfordert auch zwangsläufig ein kognitives und mentales Umdenken. Unternehmenskommunikation sollte ganzheitlich verbessert und nicht nur durch die Veränderung einer einzigen Stellschraube erwartet werden. Denn jedes Unternehmen hat eine eigene Geschichte, einzigartige Mitarbeiter und individuelle Bedürfnisse hinsichtlich Verbesserungen in Unternehmenskommunikation und Führungsmöglichkeiten.
Damit es nicht dazu kommt, dass Mitarbeiter von Ihrem Arbeitsplatz genervt sind weil sie ständig unterbrochen oder abgelenkt werden, ist es wichtig, sich vor Umsetzung des Projekts “Großraumbüro” folgende Dinge zu überlegen:
Analyse
Bestimmung des Ist- Zustandes
Finden Sie heraus, was die Mitarbeiter in den jeweiligen Abteilungen tun: Womit beschäftigen Sie sich die meiste Zeit? Brauchen Sie eine ruhige Umgebung, die es ermöglicht, viele E-Mails zu schreiben, oder sind die Mitarbeiter in eine kreative Arbeit involviert, die vom Austausch mit Kollegen lebt? Teamwork oder Einzelarbeit, was ist in dem Unternehmensbereich eigentlich gefragt? In welchen zeitlichen Strukturen wird gearbeitet? Arbeitet jeder Mitarbeiter zur selben Zeit?
Schauen Sie sich die derzeitigen räumlichen Bedingungen an. Welche Möglichkeiten bieten sich, die Arbeitsqualität zu verbessern?
Welche monetären Mittel stehen zur Umsetzung eines neuen Büros zur Verfügung?
Bestimmung des Soll Zustandes
Welches unternehmensförderliche Umdenken will ich mit der räumlichen Umstrukturierung erreichen?
Was kann durch das Großraumbüro erreicht werden, was Einzelbüros bzw. die jetzige Struktur nicht hergeben?
Der Mensch zuerst
Tauschen Sie sich mit den Kollegen und Mitarbeitern aus: Was wünschen sie sich vom Arbeitsplatz? Welche räumlichen Gegebenheiten fördern das Wohlbefinden von Ihren Mitarbeitern und in Folge dessen die Kommunikation innerhalb des Unternehmens?
Erarbeiten Sie zusammen mit Mitarbeiter und Kollegen einen Plan, um sie in den Prozess miteinzubeziehen statt sie vor vollendete Tatsachen zu stellen!
Geben Sie Ihren Mitarbeitern Raum und Zeit, sich zurückzuziehen, wenn ihnen danach ist. Nicht jeder Mensch ist zum Teamwork- Enthusiasten geboren. Vergessen Sie diese Mitarbeiter nicht! Nicht nur extrovertierte Mitarbeiter, die Kraft, Produktivität und Kreativität aus viel Bewegung um sich herum schöpfen, sind in Ihrem Team, sondern auch die Mitarbeiter, die produktiver, motivierter und kreativer sind, wenn Sie eine aufgeräumte und ablenkungsarme Umgebung vorfinden.
Die Partizipation der Mitarbeiter
Im Mittelpunkt einer solch drastischen Veränderung innerhalb eines Unternehmens sollte immer der Mensch selbst stehen. Die Wertschätzung die Sie Ihren Mitarbeitern durch die Partizipation an der Gestaltung des Prozesses entgegenbringen, schafft Akzeptanz gegenüber dem Projekt. Dabei sind die Vorüberlegungen hinsichtlich inter- und intraindividuellen, räumlichen, monetären Bedürfnissen und Möglichkeiten essentiell, um daraus abzuleiten, welche Maßnahmen ergriffen werden können.
Wir Menschen sind emotionale Wesen, die nicht durch die Rationalisierung des Arbeitsplatzes zu mehr Kommunikation gezwungen werden können. Eine erfolgreiche Unternehmenskommunikation kann nur gelingen, wenn alle Unternehmensbereiche an jedem Prozess eines solchen Projekts beteiligt sind.
Es genügt nicht, dass der Gedanke zur
Verwirklichung drängt,die Wirklichkeit muss
sich selbst zum Gedanken drängen.
von Karl Marx
Literatur:
https://www.zeit.de/2018/03/laermschutz-buero-arbeitsplatz-gesundheit-licht/seite-2
https://www.zeit.de/karriere/2016-08/grossraumbuero-kritik-gesundheit-mitarbeiter
https://derstandard.at/2000083264597/Harvard-Studie-Grossraumbueros-schaden-der-Kommunikation
https://royalsocietypublishing.org/doi/10.1098/rstb.2017.0239
https://www.hbs.edu/news/articles/Pages/bernstein-open-offices.aspx
Einen Kommentar schreiben