Hands on Psychologie: Veränderungen
Jeder von uns hat wahrscheinlich zumindest einen Lebensbereich, der dringend eine Veränderung bräuchte. Sei es mehr Sport zu machen, mit dem Rauchen aufzuhören oder im Job weniger zu tratschen – Veränderungen sind immer leichter gesagt als getan. Wie kommt es, dass wir oft genau wissen, dass es uns nach einer bestimmten Gewohnheitsänderung besser gehen würde, wir es aber trotzdem nicht schaffen, diese Änderung umzusetzen? Und wie schafft man es, die Gewohnheiten ganzer Unternehmen zu ändern? Das will dieser Hands-on-Psychologie-Artikel erklären und die psychologischen Abläufe hinter Veränderungsprozessen beleuchten.
Das Rezept der Veränderung
Um die Vorgänge im Menschen zu erläutern, die Veränderungen so schwierig machen, bediene ich mich einem aktuellen Ereignis: der Coronakrise. Diese ist das perfekte Paradebeispiel, um zu veranschaulichen, wie im Menschen immenser Leidensdruck entstehen kann. Sowohl körperlicher als auch seelischer Stress und Angst vor zukünftigen Entwicklungen können Leid verursachen. Die momentane Krise erfüllt dabei nicht nur einen der Stressoren, sondern schafft sowohl physisches Leid (Krankheit) und psychisches Leid (Freiheitseinschränkungen, Einkommensverlust) als auch Zukunftsängste (wirtschaftliche Krise, Jobverlust, Erkrankung). Und doch reicht für Teile der Bevölkerung das rationale Wissen, dass Gefahren lauern, nicht aus, um aktiv etwas gegen das Infektionsrisiko zu unternehmen und z. B. nicht auszugehen und Masken zu tragen.
Das liegt häufig daran, dass Leidendruck allein nicht ausreicht, um (nachhaltige) Veränderungen zu initiieren. Denn wenn man zwar weiß, dass der Ist-Zustand nicht ideal ist, man aber keine Lösung sieht, tendiert man eher dazu, mit Verleugnung oder Resignation zu reagieren. Also braucht es eine zweite wichtige Komponente: realistische Handlungs- und Lösungsoptionen. Denn wo Leidensdruck der Startschuss zur Veränderung ist, ist Hoffnung sein Motor.
Die Macht der Gewohnheit
Werden diese Lösungsmöglichkeiten dann tatsächlich umgesetzt, setzt meist kurzfristig Euphorie ein. Aber so motiviert und voller Tatendrang man sich an den Stunden bis Tagen nachdem der Vorsatz umgesetzt wurde, auch fühlen mag – spätestens nach wenigen Wochen ist meist die Motivation verflogen und die Gewohnheiten sind wieder die alten. Nicht umsonst werden die meisten Neujahrsvorsätze nach nicht einmal einem Monat über Bord geworfen. Was bei Veränderungen deshalb ziemlich überbewertet wird, ist die Willenskraft. Veränderungen sind hart, vor allem wenn sie nur von Motivation vorangetrieben werden. Was hingegen langfristig zum Erfolg verhelfen kann, ist die Macht der Gewohnheit. Denn Gewohnheiten bleiben bestehen, wenn die Motivation längst verbrannt ist. Zieht man gute Vorsätze also so lange durch, bis sie zur Routine gehören (im Schnitt zwei Monate), fällt die Veränderung viel leichter.
Mediator Misstrauen
Um auf das Beispiel der Coronakrise zurückzukommen, fällt Ihnen vermutlich auf, dass diese doch eigentlich die Voraussetzungen für Veränderungen erfüllt: Es verbreitet sich großes Leid und die Regierung und Gesundheitseinrichtungen stellen konkrete Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung. Trotzdem machen Widerstand und Verleugnung die Runde, was oft an einer störenden Variablen liegt: dem Misstrauen. Sind Menschen davon überzeugt, dass Lösungsvorschläge nur dazu verhelfen sollen, den Profit und das Eigeninteresse von beispielsweise der Regierung oder von Vorgesetzten voranzutreiben, wird die Umsetzung der Lösung verweigert. Möchte man also als Unternehmen Veränderungen einleiten, ist eine gute Vertrauensbasis zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden sehr wichtig.
Veränderung in Unternehmen: Changemanagement
Für Organisationen treffen dieselben Prinzipien zu wie beim Einzelnen. Um eine Veränderung umzusetzen, bedarf es also Handlungsoptionen, Vertrauen und Zeit, neue Routinen zu bilden beziehungsweise die bestehenden anzupassen. Vor allem für größere Veränderungen bedarf es professionelles Changemanagement, idealerweise unter Aufsicht von Beratern. Beispiele für Gründe von Veränderungen im Unternehmenskontext könnten Vergrößerungen, Umstrukturierungen, Änderungen im Geschäftsmodell oder Digitalisierung sein. Mit letzterem finden sich momentan zahlreiche Organisationen konfrontiert, die aufgrund der Coronakrise ihre Mitarbeitenden ins Homeoffice schicken mussten. Wie schaffen es Unternehmen, realistische Ziele zu setzen und Akzeptanz seitens der Mitarbeitenden zu schaffen? Folgt man Sozialpsychologen Kurt Lewins Modell der Veränderung, müssen dafür drei Phasen überwunden werden.
1. Auftauen
Im ersten Schritt geht es darum, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, was das Unternehmen und die Mitarbeitenden erwartet. Es sollte besprochen werden, welche konkreten Maßnahmen geplant sind und welche Vorbereitungen dafür benötigt werden. Operative Führungskräfte, die vor Ort agieren und aktiv Projekte leiten, spielen hierbei eine wichtige Schlüsselrolle. Denn diese haben den engsten Kontakt zu den Mitarbeitenden und können sie am ehesten überzeugen, mitzuziehen. Alle offenen Fragen sollten geklärt werden, bevor der Changeprozess beginnt.
2. Verändern
Im zweiten Schritt werden die geplanten Maßnahmen umgesetzt. Dies wird laufend durch die zuständigen leitenden Personen überwacht, und es werden eventuell Schulungen und Weiterbildungen angeboten, um die Aneignung neuer Kenntnisse und Fähigkeiten zu unterstützen.
3. Verfestigen
Schließlich wurden die Änderungen vollzogen und diese sollen nun verankert werden. So wird verhindert, dass nach einiger Zeit alles wieder beim Alten ist und sich im Endeffekt nichts geändert hat. Deswegen muss nicht nur die Einführung neuer Maßnahmen überwacht werden, sondern auch die laufende Integrierung dieser. So werden Veränderungen aufrechterhalten und können immer wieder angepasst werden.
Fazit zu Veränderungen
Es spricht gegen die Instinkte des Menschen, Dinge zu verändern. Vor allem dann, wenn dieser Prozess mit schwierigen und anstrengenden Taten verbunden ist. Versteht man aber die psychologischen Grundlagen hinter dieser Trägheit, lassen sich Veränderungen sowohl im eigenen Alltag als auch im gesamten Unternehmen leichter umsetzen. Sind die Grundvoraussetzungen für Veränderungen gegeben, lässt sich diese in drei Phasen erfolgreich implementieren und begleiten.
Für Wunder muss man beten – für Veränderungen aber arbeiten.
Von Thomas von Aquin
Literatur:
Lewin, K. (1947). Frontiers in group dynamics: II. Channels of group life; social planning and action research. Human relations, 1(2), 143-153.
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Kommentar von Klaus Uhr |
Toller Artikel! Planen Sie noch einen konkreteren Artikel zum Thema "Wie?"-konkret? Wäre spannend!
Antwort von Selina Kern
Hallo Klaus,
Danke für dein Feedback! Ja, wir arbeiten tatsächlich gerade an einem Webinar zum Thema. Melde dich gerne bei uns für mehr Infos dazu!
Liebe Grüße,
Selina