Impostor-Syndrom: Bin ich ein Hochstapler?
Während manche Menschen sehr gut mit persönlichen und beruflichen Erfolgen umgehen können, fällt anderen das Akzeptieren eigener Leistungen schwerer. Sie haben das Gefühl, eine Beförderung nur durch Glück oder Zufall erlangt und diese eigentlich nicht verdient zu haben. Lob und Komplimente können diese Menschen nur schlecht annehmen, weil sie voller Selbstzweifel stecken. Diese Denkweise beschreibt das weit verbreitete Impostor-Syndrom oder Hochstapler-Phänomen. Dabei hat dieses Gefühl der eigenen Unzulänglichkeit oft keinen greifbaren Grund, kann für Betroffene aber eine große Belastung darstellen. Ob Frauen häufiger vom Impostor-Syndrom betroffen sind und was die Lösung des Problems ist, lesen Sie heute bei zweikern.
Das Hochstapler-Phänomen
Das Gefühl, ein Hochstapler zu sein, kann in allen Lebensbereichen auftreten. Manchmal findet das Syndrom bereits in der Schule seinen Ursprung, andere erleben das Gefühl des Versagens erst im Beruf. Personen, die davon betroffen sind, glauben nicht, bestandene Klausuren oder erfolgreiche Projekte selbst gemeistert zu haben. Vielmehr denken sie, dass Glück, Zufall oder Beziehungen ihnen zu vollbrachten Leistungen verholfen haben. Sie denken deswegen, ein Hochstapler zu sein und haben Angst, dass auch ihre Mitmenschen herausfinden könnten, dass ihre Erfolge nicht wirklich verdient sind. Von außen gesehen gelten die Leistungen dabei als völlig legitim und ausgesprochenes Lob als verdient und gerechtfertigt. Erstmals im empirischen Kontext beschrieben wurde dieses Phänomen von den Psychologinnen Clance und Imes Ende der 1970er Jahre. Sie beobachteten das Impostor-Syndrom vor allem bei erfolgreichen Frauen, die trotz erstaunlicher Leistungen glaubten, nicht besonders intelligent zu sein.
Wie kommt es dazu?
Ursprünglich wurde diese Neigung als stabiles Persönlichkeitsmerkmal eingestuft, heute weiß man aber, dass es sich eher um eine veränderliche Reaktion handelt. Neuere Studien (Langford & Clance, 1993) schätzen, dass rund 70 Prozent der Bevölkerung vom Impostor-Syndrom betroffen ist, wobei ebenso viele Männer wie Frauen darunter leiden dürften. Das Hochstapler-Phänomen gilt zwar nicht als psychische Störung, kann aber unter Umständen zu Depression oder anderen mentalen Beschwerden wie Burnout führen. Besonders betroffen sind unter anderem Angehörige von Minderheiten und Afrodeutsche. Das liegt vermutlich daran, dass sie häufig die erste studierende Generation der Familie abbilden. Dadurch entsteht einerseits das Gefühl, sich beweisen zu müssen, andererseits aber auch der Eindruck, an der Universität oder Fachhochschule ein Außenseiter zu sein.
Der Großteil der „Hochstapler“ findet den Ursprung für diesen Perfektionsdrang in der Kindheit. Eltern, die ihrem Kind immer wieder mitteilen, dass er oder sie etwas Besonderes ist, bauen dadurch unbeabsichtigt Druck auf das Kind auf, diesen Erwartungen auch gerecht werden zu müssen. Ebenso geben manche Eltern ihren Kindern das Gefühl, dass sie nur geliebt werden, wenn sie deren hohe Erwartungen erfüllen und akademische oder sportliche Leistungen erbringen. Zudem können Persönlichkeitseigenschaften wie Introversion und ein Hang zum Perfektionismus die Entwicklung des Impostor-Syndroms begünstigen. Ständige Vergleiche mit Kollegen und Angst vor negativer Kritik führen auch zur Verstärkung des Effekts. Unzufriedenheit und Leistungsdruck sind die Folge.
Was kann man dagegen tun?
Wie bei vielen Wahrnehmungsverzerrungen ist der erste Schritt aus dem Hochstapler-Phänomen eine ausgeprägte Selbsterkenntnis. Darunter versteht man die Fähigkeit, eigene Gefühle und Handlungen bewusst wahrzunehmen. Im zweiten Schritt werden die erlebten Gedanken und Emotionen akzeptiert, ohne gegen die Wahrnehmungen anzukämpfen. Gerade für Personen mit Hang zum Perfektionismus ist die Erkenntnis wichtig, dass alle Menschen fehlerbehaftet sind und dies keine schlechte Eigenschaft ist. Der innere Kritiker wird erst dann Ruhe geben, wenn man sich der eigenen Sabotage bewusst wird. Wenn wir uns wie Hochstapler fühlen, kann es hilfreich sein, diesen Gedanken zu hinterfragen. Konzentriert man sich auf die tatsächlich erreichten Ziele und die dahintersteckende Arbeit, verschwindet das Hochstapler-Gefühl schnell.
Mit der Zeit fällt es auch leichter, Lob und positive Kritik anzunehmen. Anstatt also sofort nach Ausreden für die eigene Leistung zu greifen und sich selbst kleinzureden, kann das dankende Akzeptieren von Lob schon ein großer Schritt in Richtung Besserung sein. Ebenso nützlich ist das Sprechen mit vertrauten Personen über diese Gedanken. Dadurch fällt die Realisation leichter, dass das Impostor-Syndrom nicht der Realität entspricht. Wer sich damit unwohl fühlt, kann Schreibtherapie probieren. Eine Art Tagebuch dient dabei der Niederschrift von täglichen Gedanken und Gefühlen, die mit dem Syndrom in Verbindung stehen. Dieses visuelle Ausformulieren erleichtert das Sortieren der Gedanken und ermöglicht realistischere Beurteilungen von Erlebnissen. Sind die Symptome jedoch so ausgeprägt, dass der Erfolg dieser Techniken ausbleibt, kann Psychotherapie helfen und unterstützen. Was besonders auch für Führungskräfte hilfreich sein kann, sind laufende Mitarbeiterbefragungen durchzuführen, um die Selbst- mit einer Fremdeinschätzung abzugleichen.
Fazit zum Impostor-Syndrom
Die eigenen Fähigkeiten anzuerkennen, fällt vielen von uns schwer. Wir sind ständig auf der Suche nach Verbesserungsmöglichkeiten und spielen dabei unsere Stärken herab. Was grundsätzlich eine erstrebenswerte Motivation ist, kann aber auch kontraproduktiv sein, wenn man nur noch die eigenen Schwächen sieht. Beim Impostor-Syndrom geht diese Verzerrung so weit, dass man meint, keine Leistung wirklich verdient zu haben. Arbeitet man an der Besserung des Hochstapler-Phänomens, gewinnt man nicht nur an Lebensgefühl und Selbstbewusstsein, sondern auch an der Fähigkeit, an tatsächlichen Schwächen arbeiten zu können.
Es gibt Leistung ohne Erfolg, aber keinen Erfolg ohne Leistung.
Von François de La Rochefoucauld (1613-1680), französischer Adeliger
Literatur:
Clance, P. R., & Imes, S. A. (1978). The imposter phenomenon in high achieving women: Dynamics and therapeutic intervention. Psychotherapy: Theory, research & practice, 15(3), 241.
Langford, J., & Clance, P. R. (1993). The imposter phenomenon: Recent research findings regarding dynamics, personality and family patterns and their implications for treatment. Psychotherapy: theory, research, practice, training, 30(3), 495.
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