Intrapreneurship: Konkurrenzfähigkeit durch Binnenunternehmertum
Fast 88% der Fortune-500-Unternehmen von 1955 existierten 2015 nicht mehr. Der Grund dafür liegt im steigenden Druck auf Unternehmen, derzeit schon gut laufende Prozesse und Produkte weiter zu optimieren. Zusätzlich sollen auch laufend neue, auf die Marktentwicklung abgestimmte Produkte entwickelt werden. Intrapreneurship soll dabei helfen, die Entwicklung des Unternehmens durch Innovationen der Mitarbeitenden zu fördern, und bietet damit ideale Voraussetzungen für Wachstum. Dieses Konzept lässt sich in der Realität jedoch nicht so leicht anwenden. Vor allem in großen, konventionellen Firmen haben die Mitarbeitenden kaum eine Chance, eigene Ideen einzubringen und zu verwirklichen. Dass dies zur Steigerung der Konkurrenzfähigkeit für viele Unternehmen jedoch wichtig wäre und wie sich dieser Ansatz umsetzen lässt, soll in diesem Artikel thematisiert werden.
Intracorporate Entrepreneurship
Der Begriff „Intrapreneurship“ wurde erstmals vom amerikanischen Unternehmer und Autor Gifford Pinchot III geprägt und setzt sich aus den Wörtern „intracorporate“ und „Entrepreneurship“ zusammen. Ins Deutsche übersetzt bedeutet Intrapreneurship „unternehmensinternes Unternehmertum“ oder auch Binnenunternehmertum. Intrapreneurship beschreibt also unternehmerisches Handeln von Mitarbeitern im geschützten Rahmen einer Organisation. Die Arbeitnehmer sollen sich dabei so verhalten, als wären sie selbst Unternehmer. Unternehmertum ist eine auf die Entwicklung von Neuerungen und Änderungen ausgelegte Haltung, die eine gewisse Risikobereitschaft mit sich bringt.
Das Ziel dieses Konzepts soll es sein, ideale Rahmenbedingungen für Innovation und Weiterentwicklung innerhalb eines Unternehmens zu schaffen. Binnenunternehmertum hilft dabei nicht nur, etablierte Produkte zu optimieren, sondern fördert auch die Erschließung neuer Märkte. Somit müssen neue Informationen nicht mehr zugekauft oder durch Merging mit anderen Firmen erlangt werden, sondern können direkt intern entwickelt und verbessert werden. Richtig umgesetzt, bringt Intrapreneurship sowohl für das Unternehmen als auch für seine Mitarbeitenden viele Vorteile mit sich.
Flexibilität auf allen Ebenen
Um das Konzept Intrapreneurship erfolgreich umzusetzen, braucht es einige Voraussetzungen sowohl seitens der Führungskräfte und der Mitarbeiter als auch seitens der gesamten Organisationskultur und -struktur.
Eine Umgebung zu schaffen, in der Intrapreneurship gedeihen und Früchte in Form von Innovationen tragen kann, liegt vorerst in der Verantwortung von Führungskräften. Wichtig ist dafür die Abgabe von Verantwortung an Mitarbeitende. Denn durch neue Aufgaben und Herausforderungen wird erst die Möglichkeit von Binnenunternehmertum geschaffen. Begegnet die Führungskraft dabei den Mitarbeitenden auf Augenhöhe, sprich mit Wertschätzung und Vertrauen im Hinblick auf deren Fähigkeiten, wird auch die Angst vor Misserfolgen und negativen Konsequenzen verringert. Ebenso wichtig ist es, positive Verstärkung anzuwenden und Lob auszusprechen, sollte ein Projekt gut laufen.
Verändert sich der Führungsstil, verändert sich damit auch die gesamte Unternehmenskultur. Das Delegieren von Aufgaben und Verantwortung führt zu einer Verflachung der Hierarchie, wodurch zusammen mit einer optimierten Fehlerkultur im Unternehmen Ideen wachsen können. Waren die Arbeitszeiten und Schichteinteilungen im Unternehmen bislang sehr rigide, können flexiblere Arbeitszeiten dazu beitragen, die individuellen Phasen der Produktivität der Mitarbeitenden optimal zu nutzen. Neben Zeitmanagement und Raum für Fehler ist finanzielle Unterstützung seitens des Unternehmens wichtig, sei es in Form von Förderungen konkreter Produkte oder durch das Einplanen von Zeit für Projektarbeiten.
Ohne Investitionen von Zeit und Geld steht die Entwicklung und Umsetzung von Ideen früher oder später still. Eine effektive Methode, die Mitarbeiter mehr einzubeziehen, stellt das betriebliche Vorschlagswesen, kurz BVW, dar. Das Ziel des BVW ist es, auf Verbesserungsvorschläge von Mitarbeitern einzugehen, wodurch diese einen Teil der eingesparten Kosten als Prämie erhalten können.
Trotz idealer Umstände wird es immer Menschen geben, die mehr Eigenschaften eines Intrapreneurs aufweisen als andere. Möglichkeiten, solche Merkmale zu fördern sind, neben dem Führungsstil und einer passenden Unternehmenskultur besonders Schulungen, die speziell darauf ausgerichtet sind, Unternehmergeist zu vermitteln. Auch Coaching kann helfen, den Weg von einer Idee zum fertigen Produkt zu planen und umzusetzen. Intrapreneure zeichnen sich unter anderem auch durch Persönlichkeitseigenschaften wie Kreativität, Ehrgeiz und Teamfähigkeit aus, die die erfolgreiche Entwicklung von Geschäftsideen ermöglichen. Diese grundlegenden Merkmale lassen sich nur begrenzt beeinflussen, können aber bis zu einem gewissen Maß ebenfalls geschult und gefördert werden.
Dass sich Intrapreneurship in manchen Branchen und Abteilungen aufgrund unterschiedlicher Organisationssysteme leichter umsetzen lässt als in anderen, ist einleuchtend. Dennoch können zumindest Ansätze davon in den meisten Bereichen implementiert werden, solange die strukturellen und personalen Voraussetzungen gegeben sind.
Commitment durch Verantwortung
Die Konsequenzen von erfolgreich umgesetztem Binnenunternehmertum sind sowohl für die Organisation, als auch für die Mitarbeiter positiv.
Einerseits spart sich das Unternehmen einiges an Kosten, weil Innovationen nicht zugekauft, sondern von den bereits eingestellten Mitarbeitern entwickelt werden. Dies führt zu einer schnelleren Weiterentwicklung von Produkten und Prozessen und somit zu einer optimalen Anpassung an Veränderungen. System- und Produktoptimierungen können so laufend vonstatten gehen und verhelfen zu besserer Wettbewerbsfähigkeit und langfristigen Erfolgen.
Andererseits ergeben sich auch für die Mitarbeitenden wesentliche Vorteile. So entstehen im Vergleich zur Selbstständigkeit bei Fehlern und Rückschlägen weniger Kosten und weniger schwerwiegende Konsequenzen für den Intrapreneur, da er einen meist kleinen Teil der Organisation darstellt. Durch den Austausch innerhalb des Teams und des gesamten Unternehmens bieten sich zusätzlich Möglichkeiten für einen Wissenszuwachs, von dem Einzelkämpfer nicht profitieren können. Die gewonnene Freiheit und Flexibilität, die zur Erfüllung eigener Ideen und Ambitionen führen und damit zu subjektiv interessanteren Aufgaben, erzeugen zufriedenere Arbeitnehmern. Zusätzlich haben sie durch mehr Verantwortung auch das Gefühl, einen wichtigen Beitrag zum Erfolg des Unternehmens beizutragen. Die Folge davon ist mehr Commitment gegenüber dem Arbeitgeber, welche wiederum von den besseren Leistungen zufriedenerer Mitarbeiter profitiert.
Zu viel des Guten?
Die mit Intrapreneurship einhergehenden Freiheiten können jedoch auch eine Kehrseite haben. Mit einer flachen Unternehmensstruktur und mehr Autonomie und Verantwortung für jeden Mitarbeiter geht eine Diffusion der Aufgabenbereiche einher. Werden die Arbeitszeiten flexibler und die Aufgabenbereiche vielfältiger, kann es zur Häufung von Überstunden kommen. Im Kampf um die besten Ideen entstehen unter Umständen Konkurrenzdenken, Unzufriedenheit und Überforderung, was im schlimmsten Fall zum Burnout führt. Wird nicht für ausreichend viel Struktur gesorgt, können für das Unternehmen zusätzliche Kosten nicht nur durch krankheitsbedingte Fehlstunden, sondern auch durch Fehlerhäufungen und Misserfolge entstehen. Um das zu verhindern, ist es wichtig, ausreichend viele Regeln beizubehalten und nicht in die komplette Systemlosigkeit abzurutschen. Hier geht es darum, ein Gleichgewicht zu finden zwischen ausreichenden Freiräumen, die Wachstum fördern, und gleichzeitig genügend Ordnung, um unnötige personelle und finanzielle Kosten zu vermeiden.
Fazit zu Intrapreneurship
Intrapreneurship bildet ideale Rahmenbedingungen für Innovation und Weiterentwicklung innerhalb eines Unternehmens. Es hilft einerseits, bestehende Produkte kontinuierlich zu verbessern und an die wandelnden Ansprüche anzupassen. Andererseits können neue Märkte entdeckt und verfolgt werden, die zu den bereits bestehenden Produkten passen und die Firma konkurrenzfähiger machen. Erfolgreich umgesetzt wird dieses Konzept zum Beispiel von der Deutschen Bahn, die 2016 das Programm „DB Intrapreneurs“ startete, welches Arbeitnehmern die Chance gibt, eigene Geschäftsideen zu verwirklichen. Die Mitarbeiter werden so in die Entstehungs- und Entwicklungsprozesse aktiv eingebracht, wodurch nicht nur das Wachstum des Unternehmens gefördert wird, sondern auch das der persönlichen Kompetenzen
The secret to success is not in doing your own work, but in recognizing the right man to do it.
von Andrew Carnegie
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