Persönliche Kritik: Der Killer jedes Lösungsansatzes
Ich denke, Kritik persönlich zu nehmen ist eine Auswirkung von Unsicherheit. Oft ist es gar keine Kritik, sondern nur eine neutrale Aussage, die wir durch Mimik und Gestik oder die Stimmlage als Kritik oder Nörgeln auffassen. Ich erwische mich selbst oft dabei, zu hinterfragen, was ich gerade falsch gemacht habe, wenn ich schlecht gelaunte Menschen antreffe.
1ter Gedanke = „Der ist aber mies gelaunt!“
2ter Gedanke = „Bin ich schuld, dass der so mies gelaunt ist?“
Vermutlich gibt es 1000 Gründe, warum diese Person schlechte Laune hat, die wahrscheinlicher sind, als dass ich etwas damit zu tun habe. In so einem klaren Fall wird man wohl schnell merken, dass man die Aussagen dieser Person nicht persönlich nehmen muss. Ist das allerdings nicht so eindeutig, wird es bereits schwieriger.
Im stressigen Arbeitsalltag kommt es im Unternehmen oft zu schrofferen Umgangsformen. Jeder ist mit den Nerven am Ende, es kommt schneller zu Meinungsverschiedenheiten und Konflikten, die auch einmal lauter werden können und in denen man Kritik an andere austeilt.
Wenn man in so einem Fall eine etwas sensible Persönlichkeit hat, so wie ich zum Beispiel, fällt es extrem schwer die Fassung zu bewahren und diese Kritik nicht persönlich zu nehmen. Gelingt einem das nicht, fühlt man sich schnell einmal verletzt, gedemütigt und gekränkt, worauf man unterschiedlich reagieren kann.
3 Reaktionen auf das „Persönlich-angegriffen-fühlen“
1. Rückzug
Zum einen kann man mit Rückzug reagieren, bei dem man eingeschnappt und ein wenig sauer den Raum verlässt und dem Konflikt sowie der Person aus dem Weg geht. Diese eisige Stimmung in der Abteilung kann auch ein paar Tage anhalten, weil sich beide Seiten im Recht fühlen und sich nicht entschuldigen werden.
2. Verteidigung
Wenn man sich nicht schon längst aus dem Staub gemacht hat, fängt man an, sich zu verteidigen oder zu rechtfertigen. Sofort bekommt die Situation einen emotionalen Touch. Man fühlt sich verletzbar und angreifbar und schon wird eine Mauer vor sich aufgebaut, um sich zu schützen.
3. Angriff
Eine andere noch aktivere Reaktion ist der Gegenangriff. Wenn man sich in einer Situation oder im Konflikt persönlich angegriffen fühlt, ist die Hemmschwelle relativ gering, das Gegenüber auch „verletzen“ zu wollen. Ganz nach dem Motto „Gleiches mit Gleichem vergelten“. Dabei kann es zu Beleidigungen und persönlichen Angriffen kommen, die zu längerfristigen Konflikten führen und nicht so leicht aus der Welt zu schaffen sind.
Das „Sich-schuldig-fühlen“ für Fehler
Oft neigt man auch dazu, sich für etwas schuldig zu fühlen, für das man nichts kann und auch nicht die Verantwortung dafür trägt. Ein Beispiel dazu: Ihr Chef kommt in der Früh aufgebracht in Ihr Büro und beschwert sich wo die am Vortrag angeforderten Unterlagen seien, er hätte sie sehr dringend für das Morgenmeeting gebraucht und so musste er improvisieren. Da Sie am Vortag früher los mussten, haben Sie eine Kollegin gebeten, die Unterlagen fertigzustellen und auf den Schreibtisch des Vorgesetzten zu legen. Sie muss es wohl vergessen haben. Sie erwidern natürlich, dass Sie die Aufgabe übertragen haben aber fühlen sich für den Fehler trotzdem verantwortlich. Sie denken sich „Ach, hätte ich es doch selbst noch schnell gemacht“, und entschuldigen sich.
Das „Persönlich-nehmen“ von Konflikten
Von was hängt es ab, ob wir Kritik an uns selbst in einem Konflikt persönlich nehmen? Meiner Meinung nach gibt es 3 Faktoren, die am meisten Einfluss darauf haben. Die Persönlichkeit, die Erfahrungen, die man im Leben bereits gesammelt hat und auch das eigenen Selbstbewusstsein.
Bei einer Studie wurde herausgefunden, dass Menschen, die Konflikte persönlich nehmen diese auch negativ aufnehmen. Dies äußert sich in Vermeidungsverhalten, in einer starken Motivation für Rache an dem Gegner und führt auch dazu, dass die Personen daran gehindert werden Konflikte produktiv zu managen, unzufrieden sind und sich unwohl fühlen. Das Ergebnis von Konflikten ist also davon abhängig wie wir diesen wahrnehmen.
Das Hauptproblem liegt darin, dass wir uns durch die Kränkung nicht mehr auf das Wesentliche konzentrieren können, nämlich den Konflikt oder das Missverständnis aus dem Weg zu räumen und wieder mit freiem Kopf an die Arbeit zu gehen.
Diese negativen Gefühle hindern uns daran offen für Verbesserungsvorschläge zu sein und sich der Situation zu stellen. Man ist in dieser Rolle „Beleidigte Leberwurst“ gefangen und kommt in der Situation auch nicht mehr heraus. Dabei ist es oft unmöglich in die Konfliktlösung überzugehen.
Tipps, wie Sie es schaffen, nicht alles persönlich zu nehmen!
Nehmen Sie sich die Zeit und atmen sie einfach mal tief durch
Damit können Sie etwas Distanz zwischen Ihnen und der Situation schaffen. Versuchen Sie dabei, sich nur auf sich selbst zu konzentrieren, um nicht in eine „Gedankenspirale“ der Selbstzweifel zu geraten, die immer größer und größer wird. Versuchen Sie Ihre Emotionen zu kontrollieren und neutral zu hinterfragen, an wen die Aussage gerichtet ist, was damit gemeint ist und ob diese überhaupt etwas mit Ihnen zu tun haben könnte.
Fragen Sie nach, um die Situation zu klären
Wenn Sie es geschafft haben sich zu distanzieren und die Situation neutral betrachten, können Sie die Aussage Ihres Gegenübers direkt hinterfragen. Fragen Sie einfach nach, vielleicht war die Aussage gar nicht so gemeint, wie diese bei Ihnen angekommen ist. Dabei können Sie auch ganz offen sagen, wie Sie sich dabei fühlen. Oft ist der anderen Person nicht bewusst, wie das Gesagte beim Gegenüber ankommt.
Meine Welt ist nicht die Welt der Anderen
Wir alle leben sozusagen in unserer eigenen Welt. Wir haben unterschiedliche Persönlichkeiten, sind anders erzogen worden und haben unterschiedliche Erfahrungen im Leben gemacht. Jeder Mensch trägt auch seine innere Unzufriedenheit unterschiedlich nach außen. Manche überspielen sie, manche sind in sich gekehrt, andere machen einen genervten Eindruck oder lassen ihre schlechte Stimmung an Mitmenschen aus. In solchen Situationen geht es nicht um Sie persönlich, nur um die Person, die schlechte Laune verbreitet. Wenn Sie Aussagen oder genervte Blicke dieser Person persönlich nehmen, saugen Sie dieses miese Gefühl in sich auf und Sie sind ebenfalls unzufrieden.
Wenn Sie also das nächste Mal das Büro Ihres Vorgesetzten betreten und er wirft Ihnen als Begrüßung einen genervten Blick zu mit einem trotzigen „Morgen!“, sodass Sie am liebsten gleich wieder kehrtmachen würden, verschwenden Sie keine einzige Sekunde sich zu fragen, ob dieser wegen Ihnen genervt ist oder ob Sie etwas falsch gemacht haben!
Konstruktives Feedback und Kritik
All dies ist natürlich von einem konstruktiven Feedback Gespräch abzugrenzen. Nicht jeder Mensch, der Ihnen ein negatives Feedback gibt, ist einfach unzufrieden und versucht seine schlechte Laune loszuwerden. Kritik und Feedback sind wichtig um uns weiterzuentwickeln und besser zu werden. Aber auch hier gilt: Sehen Sie negatives Feedback nicht als persönlichen Angriff, sondern nur als Verbesserungsvorschlag, um sich steigern zu können.
Am Ende haben Sie ganz alleine die Macht über sich selbst. Sie selbst bestimmen welche Aussagen Sie an sich heranlassen, welche davon Sie persönlich verletzen können und welche Gewichtung Sie der Meinung anderen zuschreiben.
Wie geht es Ihnen mit diesem Thema? Nehmen Sie schnell Aussagen oder Kritik zu persönlich, oder prallen diese ab wie Wassertropfen auf Ihrer Regenjacke? Wir würden uns freuen mit Ihnen darüber zu diskutieren, oder wenn Sie Ihre Erfahrungen mit uns teilen.
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Kommentar von Friedrich Holler |
Liebes zweikern Team,
vielen Dank für den tollen Artikel. Ich stecke selbst gerade in sehr konfliktbehafteten Situationen und bin deshalb auf euren Artikel gestoßen. Ich werd mir die Infos gleich zu Herzen nehmen und versuchen in Zukunft etwas angemessener zu reagieren.
Ich wünsche noch einen schönen Tag
Liebe Grüße
Friedrich
Antwort von Andreas Kerneder
Hallo Friedrich,
vielen Dank für deinen Kommentar und dein Feedback. Ich hoffe, du bekommst die von dir erwähnten Situationen gelöst. Ich wünsche dir alles Gute dabei. Lass uns gerne wissen, ob du erfolgreich warst. :)
Dir auch noch einen schönen Tag.
Herzliche Grüße
Andreas