Kulturgeber: Kultur muss gelebt werden
Wir haben bereits des Öfteren gepredigt, wie wichtig eine positive Unternehmenskultur für einen Betrieb ist. Es gibt verschiedenste Gründe dafür, die Unternehmenskultur zu verbessern und weiterzuentwickeln. Allerdings steckt auch eine Menge Arbeit hinter so einer Veränderung. Sobald wir Menschen merken, dass eine Aufgabe viel Fleiß und Energie in Anspruch nehmen wird, ist die erste Reaktion oft: „Ist dafür nicht jemand anderes verantwortlich?“. Wir versuchen uns aus der Verantwortung zu ziehen, warten einfach ab und hoffen, dass sich jemand anderes in der Pflicht sieht, die Sache anzugehen. Beim Thema Unternehmenskultur und Kulturgeber ist es tatsächlich nicht so einfach zu sagen, wer hier zuständig ist. Die Kultur eines Unternehmens entwickelt sich schließlich über die Jahre hinweg, und jeder Mitarbeiter, jede Führungskraft sowie der Chef tragen dazu bei, dass sich verschiedene Werte und Gepflogenheiten einbürgern.
Aus diesem Grund möchte ich heute hinterfragen, wer nun bei Veränderungen der Unternehmenskultur in der Verantwortung steht - wer ist der Kulturgeber? Ist es der Chef, die Führungskräfte, die Mitarbeiter oder haben einfach alle Teile eines Unternehmens die Pflicht dabei mitzuwirken?
Verschiedene Kulturen, verschiedene Menschen
Es gibt die verschiedensten Kulturen in Unternehmen und diese sind vor allem von den dort tätigen Mitarbeitern abhängig, welcher Generation sie abstammen und wo das Unternehmen seinen Standort hat. So ist es zum Beispiel für einen jungen Manager, Mitte Dreißig, schwer einen Betrieb zu übernehmen, der aus alt eingesessenen Mitarbeitern und Führungskräften besteht, deren Werte und Umgangsformen komplett unterschiedlich sind. Aber auch der Standort hat einen Einfluss. Man stelle sich die möglichen Unterschiede zwischen einem Betrieb in einer Großstadt und einem Dorf mit 1000 Einwohnern vor. Dazu eine kleine Geschichte: Sie handelt von einem sehr erfolgreichen Banker namens Herrn Müller. Zu seiner Zeit war die Szene der Banken sehr angesehen und als Leiter einer Bankfiliale konnte man einen hohen Status genießen. Durch die Bankenkrise wurden Arbeitsplätze immer stärker umkämpft und die Firmen versuchten zu sparen, indem sie teure und erfahrene Führungskräfte durch junge, günstigere Kräfte ersetzten. Als wäre es nicht genug, auf einmal am Arbeitsmarkt nichts mehr „wert“ zu sein, wurde Herr Müller von der Großstadt in ein kleines Dorf versetzt, wo er die Filialleitung übernehmen sollte. Zwei Welten prallten aufeinander. Herr Müller war einen sehr förmlichen Umgangston gewöhnt; in seiner neuen Filiale war das „Du“ gang und gäbe. Alle Mitarbeiter pflegten einen sehr freundschaftlichen Umgang miteinander, aber auch mit den Kunden. So wurde viel getratscht, immer wieder mal gratis Leistungen versprochen, bessere Zinssätze vereinbart und sehr locker mit Zahlungsfristen umgegangen. Dies konnte Herr Müller nicht durchgehen lassen und führte umgehend strengere Regeln ein. Private Gespräche mit Kunden wurden untersagt, die Interpretation eines Business-Outfits der Mitarbeiter wieder etwas strenger gehalten und das „Du“ war ihm sowieso ein Dorn im Auge. Darüber hinaus wurden Prozesse optimiert, genauer kontrolliert und vieles in Frage gestellt. Er machte sich damit weder bei den Mitarbeitern noch bei den Kunden sehr beliebt. Im Dorf hatte sich schnell herumgesprochen, dass ein hochnäsiger „Städtler“ den Weg in den Ort gefunden hat. Er konnte auch nach 6 Monaten keinen Fuß fassen und verließ anschließend das Unternehmen.
Was denken Sie, hätte sich der neue Filialleiter besser an bestehende Kulturen anpassen müssen? Hätte er überhaupt eine Chance bekommen, als neuer Chef angenommen zu werden? Oder hätte er stärker durchgreifen müssen und all seine Vorstellungen umsetzen sollen?
Warum ist Veränderung so schwer?
Nachfolgend wollen wir sieben Gründe aufzählen, warum es oftmals so schwer erscheint, die vorhandene Kultur in einem Unternehmen zu verändern.
1. Sichtbarkeit
Zum einen ist die Unternehmenskultur nicht sichtbar, sondern nur fühlbar. Wenn man versucht hier etwas zu verändern, muss man erstmal herausfinden welche Kultur gerade gelebt wird, um zu bestimmen was verändert werden soll.
2. Späte Problemerkennung
Ein weiteres Problem ist, dass der Wunsch nach Veränderung erst dann stark wird, wenn es bereits kriselt. Niemand würde hier etwas in Frage stellen, solange noch alles glatt läuft. Zu diesem Zeitpunkt sind vielleicht bereits Dinge gesagt oder getan worden, die erst wieder aus der Welt geschafft werden müssen.
3. Veränderung braucht Zeit
Anschließend wird oft versucht, so schnell wie möglich eine Kultur durchzusetzen, die die Sache nur noch schlimmer macht. So wie im Beispiel oben, die strengeren Regeln so abrupt einzuführen, um der "Freunderlwirtschaft" entgegenzuwirken.
4. Kulturen prallen aufeinander
Oft wird eine eingefahrene Unternehmenskultur erst erkannt, wenn es einschlägige Umstrukturierungen im Betrieb gibt oder zwei Kulturen aufeinandertreffen. Wie in dem Beispiel oben, ein neuer Chef oder viele neue Mitarbeiter, Fusionierung sowie Projekte, bei denen viele Abteilungen zusammenarbeiten müssen.
5. Selbstverständlichkeit
Darüber hinaus ist es schwierig jemand Neues eine Unternehmenskultur näher zu bringen. Wie erklärt man etwas, das für einen selbst selbstverständlich ist? Viele Prozesse und Vorgänge laufen automatisch, vielleicht sogar unbewusst ab. Das gibt den Menschen in einem Unternehmen eine gewisse Orientierung, damit sie ohne viel darüber nachzudenken wissen, was zu tun ist.
6. Der Erfolgsaspekt
Ein weiterer Aspekt, der es schwierig macht eine Kultur zu verändern, ist der Gedanke daran, dass es einmal funktioniert hat. Die Unternehmenskultur ist sozusagen die Trophäe für den Erfolg eines Betriebes. Man ist gemeinsam durch Höhen und Tiefen gegangen, warum sollte man eine solch langjährige Strategie in Frage stellen?
7. Vielfältigkeit
Die Kultur eines Unternehmens ist extrem vielfältig und versteckt sich in jeder Ecke eines Betriebes. Unternehmenskultur ist nicht nur der Umgang miteinander und die Kommunikation untereinander, sondern äußert sich auch in der Strategie, den Geschäftsprozessen und der Organisationsstruktur. Hier wird ein ganzheitlicher Ansatz benötigt, um wirklich etwas zu verändern.
Der Kulturgeber
Nun kommen wir zur Frage, wer ist eigentlich dafür verantwortlich eine angemessene Unternehmenskultur zu etablieren bzw. gegebenenfalls etwas zu verändern? Meiner Meinung nach liegt hier die Verantwortung bei der Unternehmensführung. Die Leitung entscheidet wie der Hase läuft und sollte diese Kultur auch vorleben. Wenn in einem Betrieb Pünktlichkeit großgeschrieben wird, kann nicht die Leitung zu jedem Meeting fünf Minuten zu spät erscheinen. Diese Werte müssen selbst gelebt und nach außen getragen werden, ansonsten wird sich das gewünschte Verhalten nicht durchsetzen. Natürlich muss man mit einer gewissen Sensibilität an die Sache herangehen und die Wünsche, sowie Bedürfnisse der Mitarbeiter berücksichtigen. Besonders dann, wenn zwei sehr unterschiedliche Kulturen aufeinandertreffen, ist es wichtig, sich genau auszusehen, was die jeweilige Kultur ausmacht und darauf auch einzugehen. Im Beispiel oben konnte man sehen, dass es nicht möglich ist, die Werte und Einstellungen eines Menschen, die er gelernt hat, auf ein neues Unternehmen zu übertragen. Das heißt natürlich nicht, dass sich Herr Müller einfach anpassen muss. Er hätte aber versuchen können, die Kultur seiner neuen Mitarbeiter mit der eigenen zu kombinieren, um eine neue vielleicht noch bessere Kultur zu etablieren. Dabei muss man sehr behutsam und einfühlsam vorgehen und niemals kritisieren oder die jetzige Kultur schlecht machen. Wichtig ist viel Kommunikation, Aufklärung (z.B. Was kann passieren, wenn wir weiterhin Kredite mit zu geringen Zinssätzen vergeben?) und in ICH- Botschaften zu sprechen. Anstatt zu sagen: „So könnt ihr das doch nicht machen!“, lieber: „Ich würde mir wünschen, dass..“ – Sätze verwenden.
Will man die Kultur eines Unternehmens verändern, bedeutet dies viel Arbeit, Zeit, Reflexion und Geduld. Es ist nicht damit getan, ein einfaches Kommunikationstraining zu besuchen, da die Kultur nicht nur im Umgang miteinander steckt, sondern in allen Ecken des Unternehmens. Um hier Veränderungen zu erreichen muss man einen ganzheitlichen Ansatz wählen, die Werte auch vorleben und viel Einfühlungsvermögen zeigen.
Wir müssen der Wandel sein, den wir in der Welt zu sehen wünschen.
von Mahatma Gandhi
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Kommentar von Ingo Chtist |
Es empfiehlt sich allseits die Lektüre "in search of excellence" bevor und währenddessen über Unternehmenskultur gesprochen und philosophiert wird. Viele Grüße, Ingo Christ
Antwort von Carina Andorfer
Lieber Herr Christ,
vielen Dank für Ihren Literatur-Tipp!
Liebe Grüße
Carina Andorfer
Kommentar von Martina Baehr |
Liebe Frau Andorfer,
danke für ihren Artikel zum Thema Kulturgeber, ich finde ihn sehr gelungen. Ja wir sind dabei uns die Kultur eines Unternehmens bewusst zu machen, das war nicht immer so. Sie schreiben ja auch, dass es die Kultur einem meist erst dann bewusst wird, wenn sich etwas verändert. Heißt für mich die Veränderungen in den Unternehmen zwingen uns dazu, uns dem Thema bewusst zu widmen. Danke für ihre hilfreichen Ausführungen dazu. Ich möchte noch eine Sache ergänzen, das ist das Thema Erwartungen. Die sind allgemein heute sehr hochgesteckt, sei es die Erwartung an Führung oder auch die Erwartung an die ständige Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter. Zu hohe Erwartungen führen nicht selten zu Enttäuschung, deshalb wäre ein weiterer Tipp von mir, die eigenen Erwartungen zu prüfen und an die Realität anzupassen.
Herzlichst
Martina Baehr
Antwort von Carina Andorfer
Liebe Frau Baehr!
Vielen herzlichen Dank für Ihre Ergänzung und Ihren Tipp! Die Erwartungen spielen natürlich auch bei der Unternehmenskultur eine bedeutende Rolle. Zum einen hat die Erwartungshaltung einen wesentlichen Einfluss darauf, wie man eine Veränderung am Ende wahrnimmt. Zum anderen können die Erwartungen an alle Bereiche des Unternehmens durch die Unternehmenskultur gut vermittelt und kommuniziert werden. Dabei kann Ihr Tipp auch gut zum Einsatz kommen, indem man diese oft sehr hohen Erwartungen erst einmal prüft, ob diese umsetzbar und überhaupt notwendig sind.
Liebe Grüße
Carina Andorfer