
Mediative Führungsrolle: Zu viel für einen Chef
Überall wo Menschen miteinander zu tun haben oder zusammenarbeiten gibt es Konflikte. Diese Konflikte zu lösen kann manchmal ganz einfach sein, sie können allerdings auch eskalieren und so zu einem richtigen Problem werden. Sind die Fronten von zwei Konfliktparteien einmal verhärtet wird es immer schwieriger eine Lösung zu finden, mit der beide einverstanden sind. Im privaten Kontext ist es heutzutage bereits etabliert, in solchen Situationen eine Mediation als mögliche Konfliktlösestrategie zu wählen. Bei Familienstreitereien, Scheidungen, Nachbarschaft-Streitereien oder Erbschaften wird Mediation eingesetzt, damit die Konfliktparteien gemeinsam eine Lösung finden oder überhaupt wieder miteinander sprechen. Für uns stellt sich diese Woche die Frage, machen mediative Kompetenzen auch in der Führungsrolle Sinn?
Was ist Mediation
Mediation ist wie folgt definiert: "Eine auf Freiwilligkeit der Parteien beruhende Tätigkeit, bei der ein fachlich ausgebildeter, neutrale/r Vermittler/in (Mediatorin oder Mediator) mit anerkannten Methoden die Kommunikation zwischen den Parteien systematisch mit dem Ziel fördert, eine von den Parteien selbst verantwortete Lösung ihres Konfliktes zu ermöglichen". § 1 Abs. 1 des österreichischen Bundesgesetzes über Mediation in Zivilrechtssachen (Zivilrechts-Mediations-Gesetz – ZivMediatG)
Das heißt eine Mediation besteht mindestens aus drei Parteien, zwei Menschen mit einem Konflikt und ein neutraler Dritter, der Mediator. Ein ganz wichtiger Faktor dabei ist, dass der Mediator keine Lösungswege vorzeigt, sondern die Parteien selbst eine Lösung erarbeiten. Dieser vermittelt also zwischen den beiden, gibt aber keine Tipps oder sogar Anweisungen, was zu tun ist.
Mediation im wirtschaftlichen Kontext
In den letzten Jahren nehmen immer mehr Anwälte und Rechtskanzleien eine Mediation für ihre Kunden in Anspruch, da Konflikte häufig derart eskaliert sind, dass es unmöglich ist mit den Konfliktparteien zu arbeiten. Häufig absolvieren Anwälte selbst eine Ausbildung, um mediative Kompetenzen zu erwerben und nicht von Externen abhängig zu sein und das Problem sofort angehen zu können. So verlieren die Parteien weniger Zeit mit sinnlosen Auseinandersetzungen und auch weniger Geld, wenn das Streitverfahren schneller über die Bühne geht.
Sehr ähnlich ist die Situation in Unternehmen. Streitereien bauschen sich immer weiter auf, das Arbeitsklima wird schlechter und die Produktivität der Mitarbeiter sinkt, bis eine Zusammenarbeit irgendwann unmöglich erscheint. Die Konfliktparteien leiden stark unter der Situation aber der Streit ist derart aus dem Ruder gelaufen, dass eine Lösung in weite Ferne gerückt ist. Erst wenn der Vorgesetzte merkt, dass es so wirklich nicht mehr weiter geht, wird ein Mediator eingeschaltet. Man hätte sich allerdings viel Ärger und Geld erspart, wenn man so schnell wie möglich ein klärendes Gespräch geführt und nach Lösungen gesucht hätte. Der Grundgedanke ist definitiv nicht schlecht und deshalb hört man nun immer öfter, dass mediative Führungskompetenzen oder ein mediativer Führungsstil für moderne Führungskräfte von großer Bedeutung sind.
Mediation in der Führungsrolle
Nun stellt sich die Frage, ob es auch Sinn machen würde, Führungskräfte mediative Grundkenntnisse zu vermitteln. So könnten diese bei aufkommenden Konflikten so schnell wie möglich eingreifen und den Streitparteien dabei helfen, eine Lösung zu finden.
Allerdings ist es fraglich, ob eine Führungskraft die richtige Person ist, um in die Mediatorrolle zu schlüpfen. Denn eines der wichtigsten Eigenschaften eines Mediators ist die Neutralität. Diese ist dadurch, dass die Führungskraft sehr nahe am Geschehen ist und die zerstrittenen Personen kennt, nicht gegeben.
Des Weiteren soll zwischen den Streitparteien und dem Mediator eine vertrauensvolle Basis herrschen, um ehrlich über Vorfälle oder Meinungen sprechen zu können. Dabei könnte die Rolle des Vorgesetzten ebenfalls nicht vorteilhaft sein, da man vor dem eigenen Chef nicht so gerne über Streitereien unter Kollegen oder Probleme spricht.
Ein drittes Problem ist sicherlich auch die Zeit. Welche Führungskraft hat die Zeit sich zwischendurch 2 oder 3 Stunden mit Mitarbeitern auseinanderzusetzen, um sich deren Probleme anzuhören. Im Idealfall wäre das so, leider sieht das in der Praxis anders aus.
Braucht man Mediation in einer Führungsrolle?
Meiner Meinung nach brauchen Menschen in einer Führungsrolle nicht zwingend mediative Kompetenzen. Dennoch ist der Umgang mit Konflikten im Unternehmen von großer Bedeutung. Dazu gehört die Sensibilität, Konflikte im Team frühzeitig zu erkennen, einzuschreiten und an einem positiven Output zu arbeiten. Das heißt, bei Streitereien nicht abzuwarten, bis es eskaliert und dann erst versuchen die Wogen zu glätten, sondern präventiv einzugreifen und Situationen aufzuklären.
Dabei ist es auch von großer Bedeutung in Konflikten richtig zu kommunizieren. Die wichtigsten Do's und Don'ts der Konfliktkommunikation können Sie hier nachlesen. Der richtige Umgang mit Konflikten ist natürlich nicht nur für die Führungskraft wichtig, sondern auch für jeden einzelnen Mitarbeiter. Ansonsten würde die Führungskraft vor lauter Streitschlichten zu keinen anderen Tätigkeiten mehr kommen.
Allerdings liegt es in den Händen des Chefs eine gewisse Konfliktkultur im Unternehmen zu etablieren, wenn es von alleine nicht gut läuft.
Dazu gehört die oben genannte Konfliktkommunikation und ein respektvoller Umgang miteinander, damit gemeinsam an Lösungen gearbeitet werden kann.
Moderation als Führungstool
Gibt es dennoch Streitigkeiten unter zwei oder mehreren Mitarbeitern kann die Führungskraft versuchen ein Gespräch zwischen den Konfliktparteien zu moderieren. Das heißt, die Führungskraft hilft dabei, eine Übersicht über die Probleme der beiden Seiten aufzustellen und auszuformulieren. Dabei wird bereits oft klar, dass die Ursache der Auseinandersetzung in der Kommunikation liegt. Anschließend kann die Führungskraft dabei unterstützen, Lösungswege zu kreieren, die den Vorstellungen und Wünsche beider Seiten entsprechen. So kann die Führungsrolle gelebt und trotzdem auf die Mitarbeiter eingegangen werden.
Zusammenfassend kann man sagen, mediative Kompetenzen bei Führungskräfte sind sicherlich hilfreich, um Konflikte besser zu verstehen und eine gewisse Sensibilität dafür zu entwickeln. Ist ein Streit einmal eskaliert, wird es für eine Führungskraft dennoch schwer in die Mediatorrolle zu schlüpfen. Es macht deutlich mehr Sinn, Zeit und Engagement in eine positive Konfliktkultur im Unternehmen zu investieren und frühzeitig in Konfliktsituationen einzuschreiten. Gibt es dennoch Auseinandersetzungen mit verhärteten Fronten kann die Führungskraft versuchen das Gespräch zu moderieren und gemeinsam an Lösungen zu arbeiten. Ist dieser Schritt nicht ausreichend würde ich persönlich empfehlen auf einen externen, neutralen Mediator zu setzen.
Der Ursprung aller Konflikte zwischen mir und meinen Mitmenschen ist, dass ich nicht sage, was ich meine, und dass ich nicht tue, was ich sage.
von Martin Buber
Einen Kommentar schreiben