Mikromanagement: Missmanagement im großen Stil
Wissen Sie gerne stets darüber Bescheid, was in Ihrem Team oder Ihrer Abteilung vor sich geht und ist Ihr Lieblingsspruch „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“? Dann neigen Sie wahrscheinlich zu Mikromanagement. Führungskräfte, die das Verhalten der Menschen um sich herum beinahe zwanghaft kontrollieren möchten und wenig Platz für Eigeninitiative und -verantwortung lassen, richten dabei nicht nur in zwischenmenschlichen Beziehungen Schaden an, sondern oft in der gesamten Organisation. Wie dieses Missmanagement im großen Stil vermieden werden kann und wie man auf Mikromanagement reagieren sollte, erkläre ich in diesem Artikel.
Vom Überflieger zum Mikromanager
Mikromanagement beschreibt Verhalten, dass sich durch exzessive Kontrollversuche und vermehrte Aufmerksamkeit auf Details auszeichnet. Oft wird dabei versucht, Mitmenschen zu beeinflussen oder zu steuern. Viele von uns sind mit diesen Verhaltensmustern mehr oder weniger stark vertraut und ertappen sich vielleicht auch manchmal selbst dabei, ihren Perfektionismus auf andere übertragen zu wollen. Dieser Managementstil wird meist als unangenehm und hinderlich empfunden, und doch kommt er so häufig vor. Wie kommt das?
Die Gründe für dieses Verhalten sind vielfältig. Häufig stecken hinter diesem Managementstil Verhaltensweisen, die sich bisher als hilfreich erwiesen. So besitzen Mikromanager oft die Fähigkeit, Ziele schnell und effizient zu erreichen, Aufgaben zu erledigen, Budgets zu managen und Probleme zu lösen. Das führt zu Beförderungen, bis man es zum Manager-Posten schafft. Waren Genauigkeit und Perfektionismus das, was den Mitarbeitenden zur Führungskraft machten, können genau jene Eigenschaften nun zum Verhängnis werden. Denn als Manager/in wird strategischeres Denken verlangt, und delegieren sowie Kontrolle abgeben zu können sind dafür unabdingbar. Das kann den bisherigen Stärken des Mikromanagers widersprechen, welche überkompensieren und damit noch kontrollierender werden.
Die Folgen des Kontrollwahns
Natürlich können Mikromanagement auch andere psychologische Vorgänge zugrunde liegen, wie etwa Versagensängste, das Ausleben eines Bedürfnisses nach Macht, Ohnmachtsgefühle oder Misstrauen. Oft hegen diese Personen jedoch keine bösen Absichten, sondern wissen es einfach nicht besser. So individuell die Gründe auch sein mögen, die Folgen von Mikromanagement sind die gleichen und zeigen sich auf personaler und organisationaler Ebene (Sanaghan & Lohndorf). Es verlangsamen sich verschiedenste Prozesse, weil alle Entscheidungen und Arbeitsschritte durch die Führungskraft genehmigt werden müssen. Die Kreativität und Eigeninitiative der Mitarbeitenden werden untergraben und Selbstständigkeit im Keim erstickt. Zudem leiden die Arbeitsmoral und Zufriedenheit der Mitarbeitenden, was zu einer häufig wechselnden Personalbesetzung führt.
Mikromanager/innen wollen, dass jedes Detail perfekt ist. Dabei überschreiten sie auch mal Grenzen und mischen sich in Aufgaben ein, die außerhalb ihres Zustandsbereichs liegen. Das Problem dabei ist, dass die Mitarbeitenden, denen sie dabei die Aufgabe abnehmen, häufig über mehr Expertenwissen verfügen und sie besser erledigen könnten. Dafür werden unter Umständen Dinge vernachlässigt, die die Führungskraft nicht delegieren kann, die aber dringender erledigt werden sollten. Die Leistungen des gesamten Teams fallen somit ab. Dazu trägt auch die ständige Berichterstattung zum aktuellen Stand eines Projektes an den Chef oder die Chefin bei, die wertvolle Zeit kostet. Für Mitarbeitende scheint es zudem oft, als könnten sie es der Führungsperson sowieso nie recht machen. Dass Mikromanagement schlechtes Arbeitsklima fördert, ist also wenig überraschend.
Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser
Mikromanagement äußert sich nicht immer gleich. Dennoch gibt es einige typische Anzeichen, an denen Sie erkennen können, ob Sie es mit einem Mikromanager zu tun haben. Zuerst sollte darauf geachtet werden, wieviel Eigenverantwortung den Mitarbeitenden gewährt wird. Übernimmt die Führungskraft für jeden einzelnen Arbeitsschritt die Verantwortung, statt diese zu delegieren, kann das ein Warnzeichen sein. Wird die Aufgabe dann von einem Mitarbeitenden erledigt, entspricht sie selten den Erwartungen der Führungskraft. Ständiges Kritisieren und Unzufriedenheit ist ein weiteres Anzeichen von Mikromanagement, ebenso wie extrem häufige Rückfragen, wo die Mitarbeitenden aktuell stehen und ob alles nach Plan läuft. Natürlich ist das Projektmanagement eine wichtige Aufgabe von Führungskräften, dennoch sollte jeder Mitarbeitende noch eigenständig arbeiten können.
Erkennen Sie einige dieser Punkte in sich selbst oder in jemandem aus Ihrem Umfeld wieder, handelt es sich wahrscheinlich um Mikromanagement. Wie fatal die Auswirkungen davon sein können, wurde bereits beschrieben. Aber wie geht man nun mit diesem Wissen um? Es gibt durchaus andere Wege, auf Mikromanagement zu reagieren, als dieses einfach hinzunehmen. Zuallererst sollten Sie versuchen, Verständnis für Ihr Gegenüber aufzubringen. Meist wird nicht absichtlich Schaden zugefügt, sondern es stecken Ängste hinter diesem Kontrollbedürfnis. Oft sind Führungskräfte, die sich Mikromanagement bedienen, dessen gar nicht bewusst. Auf Chefs und Chefinnen liegt oft ein gewaltiger Druck, und es wird einfach versucht, diesem gerecht zu werden.
Sollten Sie die Problemlage im direkten Gespräch klären wollen, ist die richtige Vorbereitung wichtig. Die eigenen Gedanken und Gefühle zu schildern, ist immer effektiver als bloße Anschuldigungen, durch welche sich das Gegenüber angegriffen fühlt. Fällt der Führungsperson das Delegieren schwer, kann aktives Ergreifen der Initiative Abhilfe schaffen und Verantwortungsübergaben reibungsloser gestalten. Verbuchen Sie dabei dann auch gute Leistungen und Erfolge, fällt es Mikromanagern meist allmählich leichter, zu vertrauen und die Zügel etwas zu lockern. Dokumentieren Mitarbeitende von sich aus die wichtigsten Arbeitsschritte und kann die Führungskraft jederzeit darauf zugreifen, kann dies ebenfalls helfen, das Bedürfnis nach Kontrolle zu befriedigen.
Fazit zu Mikromanagement
Führungskräfte, die zu Mikromanagement neigen, können dadurch einiges an Schaden anrichten. Mitarbeitende sind weniger kreativ und die Zufriedenheit sinkt. Aufgaben werden nicht delegiert, was zu Über- auf der einen und zu Unterforderung auf der anderen Seite führt. Häufige Personalwechsel und Leistungsabfälle können dabei die Folgen sein. Es gibt jedoch auch Möglichkeiten, Mikromanagern zu helfen, Vertrauen aufzubauen. Haben Mikromanager erst gelernt, dass sie Verantwortung abgeben können, ohne negative Konsequenzen befürchten zu müssen, kann Missmanagement der Vergangenheit angehören.
Der beste Weg herauszufinden, ob man jemandem vertrauen kann, ist ihm zu vertrauen.
Von Ernest Hemingway, US-amerikanischer Schriftsteller
Literatur:
Sanaghan, P., & Lohndorf, J. Micromanagement.
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Kommentar von Markus Schuber |
Habe lange unter meiner ehemaligen Chefin in der Pflege gelitten, die das intensiv betrieben hat. Problem ist in meinen Augen die persönliche Überzeugung hinter dem Verhalten. "Durch mich läuft der Laden halt", "Die können das ja nicht" etc. damit schafft man sich eine Berechtigung für eine derartige Diktatur
Antwort von Selina Kern
Hallo Markus,
Vielen Dank für deinen Kommentar. Deine Schilderung scheint leider kein Einzelfall, sondern für viele die Regel zu sein. Ich denke aber, dass diese Art der Führung in der heutigen Arbeitswelt immer unpassender wird.
Liebe Grüße,
Selina
Kommentar von Walther Fux |
An alle Führungskräfte: Bitte klare und erreichbare Ziele formulieren. Später abfragen, ob diese Ziele eingehalten werden. Und wenn etwas nicht erreicht wurde, abklären, was verbessert werden muss. Im Besten Fall das erreichte noch zu schätzen wissen. Das wäre der Goldstandard.
Bitte nicht ständig in die Arbeit einmischen, das beschreibt dieser Artikel sehr schön. Wenn man das nicht loslassen kann, ist man vielleicht besser als Ausführender denn als Führungskraft.
Antwort von Selina Kern
Lieber Walther,
Mich freut es zu hören, dass dich der Artikel anspricht. Ich bin da einer Meinung mit dir, danke für dein Feedback!
LG
Selina