Mitarbeiterumfragen: Datenwahn im Unternehmen
Fallen im Unternehmen Schwachstellen und Fehlerquellen auf, werden oft Mitarbeiterumfragen durchgeführt, um Informationen zu sammeln und Verbesserungen abzuleiten. Auch können und sollten sie regelmäßig eingesetzt werden, um Führungskompetenzen zu evaluieren und Meinungen bezüglich bestimmter Projekte zu erheben. Setzen Unternehmen Mitarbeiterbefragungen ein, könnte man alleine dadurch schon auf eine positive Feedback- und mitarbeiterorientierte Unternehmenskultur schließen. Soweit zumindest die Theorie. In Wirklichkeit werden bei Mitarbeiterbefragungen oft zahlreiche Fehler gemacht, und die abgeleiteten Maßnahmen links liegen gelassen. Wie Sie diese Fehler und die aus dem Datenwahn folgenden langfristigen Schäden im Unternehmen vermeiden, lesen Sie in diesem Artikel.
Ziele von Mitarbeiterbefragungen
Gut 75 Prozent der großen Organisationen setzen inzwischen Mitarbeiterbefragungen regelmäßig ein (Hodapp & Bungard, 2018). Grundsätzlich können diese dabei für eine Vielzahl von Gründen verwendet werden. Zum einen können die Meinungen und die Stimmung der Mitarbeitenden bezüglich verschiedener Themen und Veränderungen gemessen werden, zum anderen sind sie auch wichtige Tools zur strategischen Unternehmenssteuerung. Durch die Erhebung des Ist-Zustands können davon ausgehend Veränderungsprojekte unterstützt und auf ihren Soll-Zustand hin überprüft werden. Das Commitment und die Motivation von Mitarbeitenden können durch Befragungen erhöht werden und sie helfen Führungskräften, die eigenen Kompetenzen zu evaluieren und zu verbessern. Sie sind dadurch auch ideale Tools für internes Benchmarking.
Arten von Mitarbeiterbefragungen
Der Umfang, die Dauer und die Anzahl der Befragten können stark variieren und hängen vom Zweck und dem Thema der Befragung ab. Dabei lassen sich fünf Arten von Mitarbeiterbefragungen unterscheiden. Unabhängig von der Art der Befragung sieht der Ablauf meist gleich aus: Zuerst erfolgt die theoretische Planung, dann die Vorbereitung, die Durchführung, die Auswertung der Daten, das Feedback an die Beteiligten, die Maßnahmenplanung und -umsetzung und schließlich eine Evaluation.
Meinungsumfragen sollen die Einstellung von Mitarbeitenden in Bezug auf verschiedene Schwerpunkte wie Betriebsklima oder Engagement erfassen. Die Anzahl der Teilnehmer ist dabei variabel und kann die gesamte Belegschaft bestreffen oder nur einzelne Bereiche oder Abteilungen.
Bei Klimabefragungen mit Rückspiegelung werden ebenfalls die Meinungen der Mitarbeitenden erhoben, es folgt danach jedoch zusätzlich eine Auseinandersetzung mit den Befunden. Daraus wird der Handlungsbedarf abgeleitet und so die interne Kommunikation verbessert.
Bei Benchmarking Umfragen werden über einen längeren Zeitraum hinweg Kennwerte in regelmäßigen Abschnitten erhoben und verglichen. So bilden sich Entwicklungen ab, die über Vergleiche mit internen oder externen Normwerten entstehen.
Systemische Mitarbeiterbefragungen werden regelmäßig durchgeführt und sind zentraler Teil der Evaluierung von Führungs-, Personal- und Gehaltsystemen. Dabei werden Daten erhoben, die für die laufende Steuerung und Verbesserung des Unternehmens eingesetzt werden.
Oft sind Mitarbeiterbefragungen in Form von Aufbau- und Einbindungsmanagementprogrammen auch bei der Unterstützung von Change-Prozessen wichtig. Dabei werden Themengebiete abgefragt, die keine eindeutigen Meinungsäußerungen der Mitarbeitenden verlangen. Sie tragen so zur zyklischen Veränderung und Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens bei und können auch Teil von Interventionsprozessen sein.
Dos und Don‘ts der Mitarbeiterumfragen
Theoretisch betrachtet bringen diese Umfragen also viele Vorteile mit sich und steigern die Bindung der Mitarbeitenden und den Umsatz des Unternehmens. Es gibt jedoch bei der praktischen Umsetzung einiges, was man falsch machen kann. Im Folgenden werden deshalb die wichtigsten Dos und Don’ts besprochen.
Do: Teilnehmer abholen
Den Mitarbeitenden sollte klar kommuniziert werden, was der konkrete Zweck und die Vorteile der Teilnahme sind. Transparenz und Aufklärung sind das A und O, wenn es darum geht, die Mitarbeitenden zur Teilnahme zu motivieren. Anonymität und Datenschutz sollten unbedingt gewährt sein, weshalb die Hinzuziehung eines externen professionellen Beraters die Belegschaft eher zu Ehrlichkeit ermutigt. Studien zeigen zudem die Wichtigkeit der Einstellung der Führungskraft zur Umfrage für die Effektivität dieser (Hodapp, 2017). Ist also die Führungskraft davon überzeugt, dass die Umfrage wichtig ist und sich daraus Veränderungsschritte ableiten lassen, sind auch die Mitarbeitenden eher motiviert teilzunehmen.
Don’t: Erhebung als Selbstzweck
Einer der häufigsten und graviersensten Fehler ist die Verwendung von Mitarbeiterbefragungen ohne Ableitung oder Umsetzung von Maßnahmen. Oft werden Befragungen durchgeführt, um das Image aufzubessern und einen Schein hoher Qualität zu wahren, wobei aber nie eine Konsequenz aus den Ergebnissen folgt. Immerhin sind Umfragen auch um einiges günstiger, als teure Konsequenzen umzusetzen, sehen auf dem Papier aber mindestens genauso gut aus.
Merken die Mitarbeitenden, dass mit den Ergebnissen nichts gemacht wird, sehen sie auch keinen Grund, künftig ernsthaft an Befragungen teilzunehmen, da sie sowieso keine Veränderungen erwarten. Ebenso können Maßnahmen zwar geplant, aber nicht umgesetzt werden, weil sie im hektischen Alltagsgeschehen untergehen. Es ist deshalb wichtig, diese Maßnahmen mit hoher Priorität zu versetzen, da die Umfrage andernfalls nur verschwendetes Geld und sinkende Mitarbeiterzufriedenheit bedeutet.
Do: Qualität und Passung beachten
Häufig werden 08/15-Vorlagen für Umfragen benutzt, welche weder das eigentliche Thema, noch das Ziel der Befragung berücksichtigen. Ohne relevante Daten können somit auch keine effektiven Maßnahmen abgeleitet werden. Ebenso wichtig ist die korrekte Interpretation der Daten. Dabei kann das Hinzuziehen von externer Hilfe eine Durchführung der Befragung und die Übersetzung von Maßnahmen daraus vereinfachen.
Don’t: Halbwahrheiten berichten
Eine weitere fatale Sünde ist das Verheimlichen oder Verzerren von Ergebnissen. Schneiden einzelne Themenbereiche besonders schlecht bei der Befragung ab, ist man dazu verleitet, diese einfach aus dem Bericht zu streichen. Das führt dazu, dass Bereiche, die besonderen Handlungsbedarf benötigen, nicht die Chance auf Verbesserung bekommen. Zudem fällt es den Mitarbeitenden mit großer Wahrscheinlichkeit auf, wenn ein Teil der Fragen, die sie beantwortet haben, in der Ergebnisdarstellung nicht behandelt wird. Das löst Misstrauen aus und senkt das Commitment.
Fazit zu Mitarbeiterumfragen
Mitarbeiterumfragen sind ein wichtiges und breit einsetzbares Instrument in Unternehmen. Sie führen bei richtiger Anwendung zur Aufdeckung von Schwachstellen, zu besserer Führung und höherem Commitment der Mitarbeitenden. Folgen jedoch keine Maßnahmen aus den Befragungen und werden diese nur zum Aufhübschen des Images verwendet, können sie enorme Schäden anrichten. Transparenz und Anonymität müssen unter allen Umständen garantiert sein, dann können Umfragen die Marktfähigkeit eines Unternehmens erheblich steigern.
Mitarbeiter sind das wichtigste Kapital eines Betriebes.
Von Klaus Kobjoll, deutscher Geschäftsmann
Literatur:
Hodapp, M. (2017). Die Wirksamkeit von Mitarbeiterbefragungen. Untersuchungen der Einflussfaktoren auf Umsetzungsgrad und Effektivität von Mitarbeiterbefragungen und ihrer Folgeprozesse. Dissertation, Universität Mannheim.
Hodapp, M., & Bungard, W. (2018). Die Wirksamkeit von Mitarbeiterbefragungen. In Feedbackinstrumente im Unternehmen (pp. 257-269). Springer Gabler, Wiesbaden.
Bungard, W., Jöns, I., & Schultz-Gambard, J. (1997). Sünden bei Mitarbeiterbefragungen-Zusammenfassung der wichtigsten Fehler und Fallgruben. Mannheimer Beiträge zur Wirtschafts-und Organisations-psychologie.
Einen Kommentar schreiben
Kommentar von Sven |
An meinem Arbeitsplatz muss ich häufig an Befragungen teilnehmen, aber von den Ergebnissen merke ich nichts. Aber scheinbar ist mein Unternehmen einer der besten Arbeitgeber in unserer Region. Fühlt sich nur leider nicht so an! Soll ich bei der nächsten Umfrage dann überhaupt teilnehmen? Mit meiner Führungskraft kann ich leider nicht darüber reden, das wäre sinnlos...
Antwort von Selina Kern
Hallo Sven,
Vielen Dank für deinen Kommentar. Das Problem, das du beschreibst scheint kein Einzelfall zu sein. Auch ich höre von Bekannten immer wieder, dass sie an Umfragen teilnehmen sollen, die weder anonym noch mit Maßnahmen verbunden sind. Eine Möglichkeit könnte hier sein, mit dem Betriebsrat zu sprechen. Ich hoffe, dass zukünftig mehr Unternehmen realisieren, wie kontraproduktiv dieses Vorgehen sein kann.
Herzliche Grüße,
Selina
Kommentar von Bernd Sankowsky |
Hallo Frau Kern, vielen Dank für ihren Artikel über Sinn und Nutzen der Mitarbeiterbefragungen. Mich interessiert, wie in der Praxis/ Literatur/ Studien eine sinnvolle, aussagekräftige Beteiligungsquote der Mitarbeitenden beschrieben/ definiert wird. Freundliche Grüße von Berlin nach Freilassing sendet Bernd Sankowsky
Antwort von Selina Kern
Hallo Herr Sankowsky,
Vielen Dank für Ihren Kommentar. Von einer guten Rücklaufquote spricht man üblicherweise ab 70%. Der Schnitt liegt meist zwischen 60% - 80%, wobei natürlich gilt: Je höher der erreichte Beteiligungswert, desto besser.
Liebe Grüße nach Berlin,
Selina
Kommentar von Klaus Dettmer Guttandin |
Der größte und grundlegende Konstruktionsfehler bei solchen Umfragen ist ihre anonyme Durchführung. Man darf es Mitarbeitenden nicht erlauben, anonym zu kritisieren, was sie im direkten nicht sagen. Vorgesetzten dar man es nicht zumuten, sich anonymer Kritik aussetzen zu müssen und bei der Nachfrage, was hinter der Kritik steht, auf eine Mauer des Schweigens zu stoßen. So lange es anonyme Befragungen gibt, werden wenig vernünftige Maßnahmen abgeleitet werden, was die Unzufriedenheit stärkt.
Anonyme Mitarbeiterbefragungen sind reine Geldverschwendung,
Das Geld sollte stattdessen eingesetzt werden, um Führungskräfte auszubilden, Damit sie professioneller werden im direkten Erfragen von Kritik im Wissen, dass der Kritiker der loyalste Mitarbeiter ist
Antwort von Andreas Kerneder
Guten Morgen Herr Dettmer Guttandin,
Ich freue mich, mal wieder etwas von Ihnen zu lesen. Wir haben uns ja doch schon lange nicht mehr gesprochen. :
Ich sehe das tatsächlich etwas anders wie Sie. Eine Anonymisierung der Befragung kann durchaus dazu beitragen zu lernen, wie man mit kritischem Feedback umgeht. Auch Führungskräfte auszubilden, zu erfragen, wo es gerade wackelt, kann nur dann funktionieren, wenn es einen Rahmen einer Zielsetzung gibt, in dem dieses Erfragen funktionieren kann. Ansonsten erhält man stetig umkonstruktives und wenig genaues Feedback, mit dem man auch nichts anfangen kann.
Mitarbeiterbefragungen an sich kranken weniger an der Anonymisierung als an der fehlenden Konsequenz im Nachhinein. Man macht sie meist um etwas getan zu haben und nicht, um die geöffnete Büchse der Pandora zu schließen.
Kommentar von Klaus Dettmer Guttandin |
Hallo Selina,
Es wird sie nicht überraschen, dass ich etwas anderer Meinung bin :)
Ich bin der Ansicht , dass Anonymisierung, mangelnde Konsequenzen aus Befragungen eng zusammenhängen - Wobei sie auch noch eine unheilvolle Allianz mit den meist ungeeigneten Fragebögen eingehen.
Letztere sind häufig völlig ungeeignet, weil die jeweilige Bewertung ohne konkretere Ausführungen der Befragten wenig Ansatzpunkte geben für geeignete Maßnahmen. Das würde jedoch die Anonymität aufheben. Wenn aber dazu die Bereitschaft dazu fehlt, profitiert letztlich nur das Institut, das für viel geld die Auswertungen vornimmt.
Mutige Führungskräfte fordern direktes Feedback ein und sehen es als ihre ureigene Aufgabe, aus jedem vermeintlich destruktiven feedback das konstruktive herauszuarbeiten. Dabei verzichten sie auf die Mitarbeiter beschämende keule na h dem Motto: Kritik ja, aber lieber Mitarbeiter bitte konstruktiv. Das ist leider ein satz, der so oder ähnlich von wenig professionellen und begabten und nicht sehr mutigen Führungskräften benutzt wird. Mutigeund professionelle Führungskräfte brauchen keine anonyme Mitarbeiterbefragung.
Die vielen anderen Führungskräfte bräuchten eher eine gute Ausbildung.
Offenes Feedback erfordert bei allen Beteiligten viel Mut, der m.E. Mit angstgeleiteten anonymen Befragungen geschmälert wird
Viele Grüße
Klaus