Multitasking-Falle: Schluss mit Zeitverschwendung!
Sind Frauen bessere Multitasker als Männer? Und ist Multitasking wirklich produktiv? Studien widersprechen großteils diesen hartnäckigen Mythen. Multitasking ermöglicht zwar die (scheinbar) gleichzeitige Bearbeitung von mehreren Aufgaben, verlangsamt dabei jedoch die Kapazitäten des Gehirns so sehr, dass man im Endeffekt schneller gewesen wäre, hätte man die Aufgaben eine nach der anderen erledigt. Multitasking kann zwar bis zu einem gewissen Grad erlernt werden, aber komplexe Tätigkeiten sollten trotzdem der Reihe nach abgearbeitet werden. Ob Telefonieren während des Autofahrens oder das Berichterstellen im Meeting – Multitasking bringt oft weit mehr Nachteile als Vorteile mit sich. Wie Sie aus der Multitasking-Falle kommen und mit Zeitverschwendung Schluss ist, lesen Sie in diesem Artikel.
Was ist Multitasking?
Der Begriff bedeutet wörtlich übersetzt mehrere (multi) Aufgaben (tasks) gleichzeitig zu bearbeiten. Ursprünglich wurden damit Betriebssysteme und Prozessoren beschrieben, aber auch diese können nicht wirklich mehrere Dinge zeitgleich bearbeiten. Sie springen dabei in extrem kurzen Abständen von Aufgabe zu Aufgabe, was den Schein einer Gleichzeitigkeit erweckt. Bei Menschen sieht der Ablauf ähnlich aus, wobei die Sprünge zwischen den Aufgaben deutlich langsamer stattfinden. Die Aufgaben sind voneinander unabhängig, also könnte eine Mail verfasst und zeitgleich an einer Besprechung teilgenommen werden. Autofahren beispielsweise lässt sich zwar auch in einzelne Aufgaben wie Lenken, Schalten und den Blinker setzen unterteilen, diese verfolgen jedoch alle ein gemeinsames Ziel und gelten damit nicht als Multitasking.
Kommt jedoch Telefonieren dazu, würden damit zwei Aufgaben bearbeitet werden, die verschiedene Ziele verfolgen und somit Multitasking erfordern. Neurobiologisch gesehen gibt es gar kein echtes Multitasking, da sich das Gehirn nur auf eine komplexe Tätigkeit zu einem Zeitpunkt konzentrieren kann. Die Betonung liegt dabei auf „komplex“, denn mit einfacheren, routinierten Aufgaben sieht es etwas anders aus. Immerhin ist es für die meisten Menschen kein Problem, während des Sports oder des Putzens ein Gespräch zu führen. Sport oder Putzen laufen dabei automatisch ab, wodurch das Gehirn die Kapazität übrighat, auf das Gespräch zu achten.
Die Grenzen der Aufmerksamkeit
Komplexere Aufgaben, die mehr Ressourcen und Hirnkapazität beanspruchen, werden daher abwechselnd bearbeitet. Autofahren beispielsweise erfordert einiges an Kapazität, da viele Informationen aus unterschiedlichen Sinneskanälen gleichzeitig verarbeitet werden müssen, um unbeschadet ans Ziel zu kommen. Trotz der Routine, die auch beim Lenken eines Fahrzeuges nach einiger Zeit entsteht, gilt diese als komplexe Aufgabe. Versucht man beispielsweise, während des Fahrens zu telefonieren, sinkt die Reaktionsfähigkeit bedeutend (Strayer & Johnson, 2001; Koch & Prinz, 2002). Eine weitere Studie (Buser & Peter, 2012) verglich die Leistung von Personen, die zwei Tasks zur gleichen Zeit bearbeiten sollten mit der von Personen, die sie nacheinander machten. Die Ergebnisse waren eindeutig: Die Multitasking-Gruppe schnitt weit schlechter ab als diejenige, die die Aufgaben nacheinander bearbeitete. Diese Studie testete außerdem auf Geschlechtseffekte und widerlegt die These, dass Frauen bessere Multitasker wären als Männer.
Der Grund für diesen Leistungsabfall liegt in der begrenzten Kapazität der Informationsverarbeitung des Gehirns. In jedem Moment fließen zahlreiche Infos auf uns ein, die über die Sinnesorgane aufgenommen werden. Da diese nicht alle bewusst wahrgenommen und verarbeitet werden können, filtert das Gehirn die Reize unbewusst nach Relevanz. Konzentriert man sich auf das Gespräch einer Besprechung, kann die gesamte vorhandene Kapazität auf die dabei relevanten seh- und hörbaren Reize verwendet werden. Versucht man nebenbei, eine Mail zu beantworten, müssen die Kapazitäten nun anders verteilt werden. Die Aufmerksamkeit springt zwischen den verschiedenen Aufgaben hin und her, wodurch man den Inhalt der Besprechung wahrscheinlich nur noch fetzenartig registriert und auch beim Verfassen der Mail einige Fehler macht.
Übung macht (nicht immer) den Meister
Multitasking lässt sich bis zu einem gewissen Grad trainieren und erlernen. Neue Aufgaben zu bearbeiten bedarf immer mehr Kapazitäten des Gehirns als bereits oft durchgeführte. Sind das Format und der Inhalt einer Mail ähnlich zu oft verwendeten Formaten, läuft das Tippen automatischer, schneller und fehlerfreier ab. Ebenso wie Autofahren oder Kochen, gehen Aufgaben mit zunehmender Übung von einem bewusst durchgeführten Prozess in einen routinierten und unbewussten über. Unbewusste Prozesse brauchen weniger Kapazität des Gehirns während der Durchführung, wodurch mehr Platz entsteht für die Bearbeitung einer anderen Aufgabe.
Während einzelne Aufgaben also sehr wohl trainiert werden können, sieht es bei der Fähigkeit zum Multitasking selbst etwas anders aus. Die zu einem Zeitpunkt vorhandene Kapazität der Aufmerksamkeit lässt sich nicht wirklich durch Übung erweitern. Eine 2009 veröffentliche Studie (Ophir, Nass & Wagner) zeigte sogar den gegenteiligen Effekt: Probanden sollten zwei Aufgaben gleichzeitig erledigen, wobei ein Teil der Versuchspersonen trainiert war im Multitasking und die andere nicht. Dabei erzielten die ungeübten Teilnehmer sogar bessere Ergebnisse, da es ihnen leichter fiel, relevante von unrelevanten Informationen zu trennen. Was sich aber sehr wohl erweitern lässt, ist die allgemeine Leistungsfähigkeit des Gehirns. Die Effizienz des Wechselns zwischen Aufgaben lässt sich also in gewisser Weise üben und dadurch auch mit steigendem Alter bewahren.
Fazit zur Multitasking-Falle
Das Fazit der bisherigen Forschung bleibt: Hat man die Wahl, mehrere Aufgaben nacheinander oder gleichzeitig zu bearbeiten, ist man schneller und erfolgreicher, wenn man sich immer nur auf eine Aufgabe gleichzeitig konzentriert und jegliche Quelle der Ablenkung beseitigt. Wenn Sie also das nächste Mal einen Stapel unterschiedlicher Arbeitsanträge vor sich auf dem Schreibtisch liegen haben, nehmen Sie sich die Zeit, in Ruhe einen nach dem anderen abzuarbeiten. So vermeiden Sie unnötige Fehler, Stress und sind zudem noch schneller fertig.
Multitasking heißt, viele Dinge auf einmal zu vermasseln.
Von Erwin Koch, Schweizer Journalist
Literatur:
Buser, T., & Peter, N. (2012). Multitasking. Experimental Economics, 15(4), 641-655.
Koch, I., & Prinz, W. (2002). Process interference and code overlap in dual-task performance. Journal of Experimental Psychology: Human Perception and Performance, 28(1), 192.
Strayer, D. L., & Johnston, W. A. (2001). Driven to distraction: Dual-task studies of simulated driving and conversing on a cellular telephone. Psychological science, 12(6), 462-466.
Ophir, E., Nass, C., & Wagner, A. D. (2009). Cognitive control in media multitaskers. Proceedings of the National Academy of Sciences, 106(37), 15583-15587.
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