Mut zur Veränderung: Warten ist keine Lösung!
Warum müssen wir immer erst Leid verspüren, bevor wir etwas verändern? Wir nehmen es in Kauf unglücklich und unzufrieden zu sein, anstatt eine Veränderung anzustoßen. Liegt das alleine daran, dass wir Angst vor etwas Neuem und der Ungewissheit haben? Es scheint so, als würden wir lieber beim altbekannten Leid bleiben, als ein unbekanntes Risiko einzugehen. Eine wirkliche Veränderung nehmen wir nur dann in Kauf, wenn es einfach nicht mehr anders geht. Zu diesem Zeitpunkt war der Leidensweg schon lang und schmerzhaft. Viele Menschen wissen sogar selbst, dass sie etwas verändern müssen, sie wollen es auch, aber irgendwie geht es eben nicht. Dies kann im Privatleben sowie auch im beruflichen Umfeld vorkommen. Wenn man zum Beispiel bereits Jahre lang in einer Beziehung steckt, die einen nicht mehr glücklich macht, oder einen Job macht, der einen auslaugt und man unzufrieden ist. Wenigstens hat man überhaupt etwas, das ist immerhin besser als nichts und viele Menschen geben sich damit zufrieden.
In der Praxis werde ich sehr oft mit der Angst vor Veränderung konfrontiert. Ich werde in ein Unternehmen geholt, das ganz klar Probleme hat, logisch, sonst wäre ich ja nicht dort. Wenn es im Beratungsprozess allerdings darum geht aktiv etwas zu tun, um diese aus der Welt zu schaffen und neue Strukturen zu etablieren, ist es gleich gar nicht mehr so schlimm und eigentlich läuft alles ganz gut. Diese Reaktion tritt vor allem dann auf, wenn den Klienten klar wird, dass sie für diese Veränderung selbst etwas tun müssen und nicht ich die Arbeit für sie erledige. Um Veränderungen nachhaltig zu gestalten, müssen nun mal Wagnisse eingegangen werden und es bedeutet genauso eine Menge an Arbeit.
Wer nicht hören will, muss fühlen!
„Ich habe es dir ja gesagt!“ Wir alle kennen diesen Spruch, aus Fehlern kann man eben nur lernen, wenn man sie selbst gemacht hat und selbst mit den Folgen leben musste. Daran ist auch sicherlich nichts verkehrt. Ich möchte hier niemanden dazu bringen keine Fehler zu machen! Fehler sind wichtig um aus ihnen zu lernen. Anders ist es, wenn man aus Angst Fehler zu machen, gar nichts macht, Probleme einfach ignoriert, ganz nach dem Motto „aus den Augen aus dem Sinn“ und so lange abwartet, bis wirklich mal etwas schiefgeht. Dieses „daraufhin warten“ ist mir persönlich ein Dorn im Auge. Ich möchte erst gar nicht mit der Politik anfangen, deshalb beschränke ich mich lieber auf das Gesundheitswesen und die Wirtschaft. Viele Menschen gehen zum Beispiel aus Prinzip nicht zu Vorsorgeuntersuchungen, aus Angst, sie könnten tatsächlich krank sein. Aber genau dafür geht man doch hin, um Krankheiten frühzeitig zu erkennen und etwas dagegen zu tun. Sehr ähnlich läuft dies in der Wirtschaft ab. In Unternehmen herrschen veraltete Strukturen und umständliche Systeme und Abläufe, aber sie sind vertraut und etwas Neues löst sofort Unbehagen aus. Kennen Sie das Gefühl zu hoffen, dass etwas nicht eintritt, aber etwas dagegen unternehmen wollen sie eigentlich auch nicht? Viele Unternehmer wissen zum Beispiel, dass die Mitarbeiter durch die Bank überfordert, gestresst oder sogar Burnout gefährdet sind, hoffen aber einfach, dass sie durchhalten, anstatt die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Ich frage mich, warum müssen wir selbst negative Erfahrungen machen um präventiv etwas zu verändern? Wie groß muss hier der Leidensdruck werden um umzudenken?
Angst vor Veränderungen
Die Angst vor dem Neuen und Unbekannten kennt wohl jeder. Allerdings kann uns diese Furcht einiges in unserer Entwicklung zurückwerfen. Dieser Drang lieber bei Bekanntem zu bleiben, ist tief in uns verankert und es bedarf einiges an Überwindung, dem zu entgehen. Dies ist Teil einer Überlebensstrategie, die in diesem Ausmaß heutzutage nicht mehr notwendig ist. Darüber hinaus bleiben uns Verluste länger und intensiver im Gedächtnis als Gewinne. So empfinden wir z.B. den Verlust eines miesen Jobs negativer, als die Chance auf einen tollen Job zu verpassen. Der Gedanke, dass alles besser werden könnte steht dabei hinter der Angst davor, dass es ebenso schlechter werden kann. Dabei versteifen wir uns oft auf Dinge die passieren könnten und malen uns die schlimmsten Geschichten aus.
6 Tipps wie Sie mit Veränderungen umgehen können
Nachfolgend gibt es sechs Tipps, die uns das Thema Veränderung etwas vereinfachen sollen. Diese Punkte sollte man sich immer wieder vor Augen führen und versuchen, an dem Vorhaben nicht zu verzagen. Wirkliche Nachhaltigkeit braucht einfach seine Zeit.
1. Nehmen Sie Horrorszenarien den Wind aus den Segeln!
Seien Sie ganz ehrlich zu sich selbst, was kann denn schon großartig passieren? Wenn eine Veränderung im Nachhinein betrachtet doch nicht die Beste war, dann lernen Sie daraus und machen Sie es das nächste Mal besser. Versuchen Sie Ihre Szenarien einmal zu Ende zu denken, vielleicht erkennen Sie dann, dass die Bedrohung kleiner ist als zuvor angenommen.
2. Seien Sie sich bewusst, dass Veränderungen Zeit und Kraft benötigen!
Belastende Situationen sind regelrechte Energiefresser. Genau deshalb sollten Sie Ihre Energiereserven nutzen, um das Problem anzupacken und etwas zu verändern. Natürlich passiert das nicht von heute auf morgen, aber wenn Sie dran bleiben, schaffen Sie es bestimmt!
3. Nicht denken, sondern machen!
Fangen Sie mit kleinen Entscheidungen an, Sie müssen ja nicht sofort Ihren Job kündigen. Versuchen Sie nicht jede Kleinigkeit zu „verdenken“, um am Ende genügend Gründe gefunden zu haben, um etwas nicht zu tun. Probieren Sie es einfach mal aus! „Wer spielt, kann verlieren. Wer nicht spielt, hat schon verloren.“ Von Bertolt Brecht
4. Kleine Schritte in die richtige Richtung gehen!
Große Veränderungen, die das Leben maßgeblich beeinflussen, erscheinen oft als eine unüberwindbare Barriere. Dieses Gefühl kann einschüchternd wirken und uns überfordern. Möchten Sie zum Beispiel in Ihrer Abteilung einen besseren Umgangston einführen, können Sie als Teilziel für alle Mitarbeiter festlegen, besonders auf Begrüßung und Verabschiedung zu achten und dies gemeinsam zu reflektieren. Kleine Teilziele stoßen auf weniger Widerstände!
5. Schauen Sie nicht weg!
Ein Punkt, der mir persönlich ganz besonders am Herzen liegt ist, Probleme nicht zu ignorieren oder zu verleugnen. Wenn Sie ein Problem haben oder von Sorgen geplagt sind, schieben Sie es nicht bei Seite, so wird der Druck nur größer. Nehmen Sie es an und machen Sie etwas dagegen, auch wenn dies viel Kraft und Mut in Anspruch nimmt. Es zahlt sich aus, denn es macht Sie stärker!
6. Prävention kann die Angst lindern!
Präventive Maßnahmen einzuleiten kann in jeder Lebenslage ein gutes Gefühl verschaffen. Egal ob Sie Ihre Mitarbeiter vor Belastungen schützen, jährlich zur Vorsorgeuntersuchung gehen, sich vor Zecken impfen lassen, Ihre Ernährung umstellen, mehr Sport machen, oder was auch immer, es fühlt sich gut an.
Die reinste Form des Wahnsinns ist es, alles beim Alten zu belassen und zu hoffen, dass sich etwas ändert.
von Albert Einstein
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Kommentar von Petra Ehrlicher |
Hallo Herr Kerneder, wieder mal und immer wieder den Nagel auf den Kopf getroffen - prägnant, focussiert und mit klar nachvollziehbaren Worten - amazing - weiter so und danke; beste Grüße P. Ehrlicher
Antwort von Andreas Kerneder
Liebe Frau Ehrlicher,
immer wieder schön von Ihnen auf unserer Site lesen zu dürfen. Diesmal musste ich wirklich schmunzeln. :) Ich bedanke mich recht herzlich für Ihr Feedback.
Herzliche Grüße
Kommentar von Harald Schneider |
Guten Tag, Herr Kerneder, ein guter, treffender Beitrag. Vermeiden statt zu handeln entspricht unseren limbischen Instruktionen in unserem Reptiliengehirn. Bequemlichkeit und Augen verschließen sind die Motivatoren für das Nichtstun. Diesen Effekt kennen wir sehr gut, da Berufstätige ihr existentiell notwendiges Englischtraining für den Beruf von Monat zu Monat von Jahr zu Jahr verschieben.
Manche hoffen - trotz besseren Wissens - insgeheim darauf, dass sie weiterhin noch mit Englisch-Schulkenntnissen durchs weitere Arbeitsleben kommen.
Vergleichbar der Beispiele in Ihrem Beitrag kommen sie dann einige Jahre nach dem ersten Kontakt, wenn das Leid so groß ist, dass mit Crashkursen und Hochintensivtrainings das in den letzten Jahren aufgeschobene in wenigen Wochen nachgeholt werden muss.
Ihre Tipps finde ich gut, realistisch und erfolgversprechend, da leicht umsetzbar. Vielen Dank und viele Grüße, Harald Schneider.
Antwort von Andreas Kerneder
Hallo Herr Schneider,
vielen Dank für Ihr Feedback zu unserem Artikel und Ihr darauf bezogenes Beispiel aus Ihrem Alltag. Das ist auf alle Fälle treffend, was Sie da schreiben. Veränderung ist und bleibt schwer und natürlich gehen viele Menschen erst den Weg aus ihrer Comfort Zone, wenn es keine andere Möglichkeit mehr gibt. Selbst wenn es um die eigene Gesundheit geht, zieht man gerne in Betracht, erst einmal zu warten.
Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag und freue mich in Zukunft von Ihnen lesen zu dürfen.
Herzliche Grüße, Andreas Kerneder
Kommentar von Wolfgang Rottler |
Guten Abend, Herr Kerneder
Vielen Dank für Ihre treffliche Zusammenfassung
Wie schon Kurt Tucholsky selig sagte, "we ought, but we don´t". Die Amerikaner kennen diesen Effekt des Nichthandelns aus Angst oder Bequemlichkeit als "loss aversion". Es ist aber auch sehr, sehr schwierig, den richtigen Zeitpunkt zu handeln zu erkennen und zu nutzen. Wie ich schon des Öfteren lesen durfte, nimmt man sich ja immer selbst mit und trifft auch (leider) häufig im neuen Betrieb auf ähnliche Strukturen.
In stagnierenden Beziehungen gibt es dafür den Begriff der "splendid isolation". Ich meine, dass Hierarchien bei der Entstehung von solchem rasenden Stillstand eine hemmende Rolle bei der Entwicklung einer wertschätzenden Vertrauenskultur spielen. Innerhalb von Unternehmen existieren nunmal keine demokratischen Strukturen - und komme mir keiner mit dem Betriebsrat.
Vor Jahren hatte mit ein ehemaliger Mitarbeiter meiner damaligen Firma auf einer Baustelle im Ausland erzählt, sei der Chef des Unternehmens durch den Betrieb gegangen, um seine Leute zu fragen, waas ihnen denn nicht gefiele und was sie besser machen würden.
Nur einer hatte sich getraut, sich zu öffnen und Kritik zu üben- es soll ihm übel ergangen sein.
Zur Zeit lese ich ein Buch über deutsche Geschichte und wähne mich mehr und mehr noch im Mittelalter, je tiefer ich in die Thematik eintauche.
Ich denke, je niedriger die Solitarität und die Abstraktionsfähigkeit (dass es eine/n selbst auch treffen könnte) in einer Gesellschaft verankert sind, desto größer muss der Leidensdruck sein, bis es zu wirksamen Veränderungen kommt, wobei das Ergebnis dabei immer fragwürdiger werden dürfte, siehe die deutsche Geschichte.
Nochmals vielen Dank für Ihre anregenden und hilfreichen Beiträge.
Wolfgang Rottler
Antwort von Andreas Kerneder
Hallo Herr Rottler,
vielen Dank für Ihren Kommentar. Der Zeitpunkt für Veränderung ist unserer Meinung nach immer genau jetzt. Die Umsetzung dafür kann sicherlich verängstigend sein und natürlich gibt es Unternehmen, in denen Kritik und Veränderungsvorschläge nicht gerne gesehen bzw. nur schwierig umgesetzt werden können. Dennoch kann ich hier, wie auch im Artikel beschrieben, nur wiederholen, dass Veränderung Fortschritt ist und dieser uns nur vorwärts bringt und somit als positiv zu bewerten ist.
Herzliche Grüße
Andreas Kerneder