Nachteule oder Lerche: Der ideale Arbeitsrhythmus
Viele kennen bereits aus der Schulzeit die tägliche Qual, sich nach dem Läuten des Weckers frühmorgens aus dem Bett zu quälen, nur um die nächsten Stunden desinteressiert und unkonzentriert im Unterricht zu sitzen. Für manche Menschen pendelt sich der Schlafrhythmus schließlich so ein, dass ein zeitliches Zubettgehen und das Aufstehen noch vor Sonnenaufgang ohne Mühe funktioniert. Andere wiederum kämpfen ein Leben lang jeden Tag aufs Neue mit zu wenig Schlaf, Konzentrationsproblemen und mangelnder Produktivität. Erkennen Sie sich in der letzteren Kategorie wieder, zählen Sie wahrscheinlich zu den Nachteulen, deren Tag-Nacht-Rhythmus weiter nach hinten verschoben ist als der der Lerchen. Warum die innere Uhr so einen wesentlichen Einfluss auf die Leistung und Gesundheit hat und warum es den grundsätzlich idealen Arbeitsrhythmus nicht gibt, erfahren Sie im Artikel von zweikern.
Chronobiologie: Nacht- oder Morgenmensch
Der Wissenschaftsbereich, der die zeitliche Organisation, sprich die innere Uhr von Lebewesen untersucht, ist die Chronobiologie. Biologische Rhythmen beschreiben dabei regelmäßige Abläufe und Verhaltensweisen, die beispielsweise vom Tag-Nacht-Zyklus beeinflusst werden. Beim Menschen unterscheidet man zwischen zwei Chronotypen: den Nachteulen oder Langschläfern und den Lerchen oder Frühaufstehern. Während Langschläfer also tendenziell erst spätmorgens aktiv und produktiv werden und auch später müde werden, starten Frühaufsteher bevorzugt frühmorgens in den Tag und gehen früher zu Bett. Die Wichtigkeit der inneren biologischen Uhr für sämtliche Lebensbereiche ist inzwischen vielfach belegt. So kann beispielsweise die Tageszeit der Einnahme von Medikamenten einen erheblichen Einfluss auf deren Wirksamkeit haben.
Dieser genetisch veranlagte Chronotyp beeinflusst nicht nur die bevorzugten Wach- und Schlafzeiten, sondern auch verschiedenste andere körperliche Funktionen wie Verdauung, Körpertemperatur und kognitive Leistungsfähigkeit. Ein wichtiger Einflussfaktor auf unseren 24-Stunden-Rhythmus ist die Sonne, die uns mithilfe von Tageslicht einen Orientierungspunkt gibt. Nachdem die Sonne aber für uns alle zur selben Zeit auf- und untergeht, können damit die individuellen Unterschiede nicht erklärt werden. Um das menschliche Verhalten unabhängig von Lichtstimuli zu untersuchen, steckten deshalb die Forscher Aschoff und Wever in den 1960er bis 1980er Jahren freiwillige Versuchspersonen in einen dunklen Bunker, in dem es keinerlei Anhaltspunkte dafür gab, wie spät es war. Obwohl alle Versuchspersonen ähnlich lang schliefen, variierten die Zeitpunkte des Schlafbeginns erheblich. Zusätzlich zu äußeren Gegebenheiten sind persönliche Veranlagungen also wichtige Rhythmusgeber.
Der frühe Vogel…
…kann mich mal! Langschläfer sehen sich oft mit Vorurteilen wie Faulheit und fehlendem Engagement konfrontiert. Dabei kann das langfristige Leben und Arbeiten entgegen der inneren Uhr Schlafdefizite, fehlende Lebensfreude und psychische Erkrankungen nach sich ziehen. Nicht nur die Frühaufsteher-Mentalität, sondern auch Schichtdienst verwehren vielen Menschen das Leben nach dem eigenen Chronotyp. SchichtarbeiterInnen müssen sich ständig auf andere Arbeitsrhythmen umstellen, was mit verschiedensten Gesundheitsrisiken einhergeht. Angefangen von Schlafproblemen, über Herz-Kreislauf-Erkrankungen bis hin zu Krebs – Schichtmitarbeiter befinden sich in der Risikogruppe für verschiedenste körperliche Beschwerden. Was viele Nachteulen, die über längere Zeit entgegen ihres Rhythmus leben und schlafen jedoch auch oft beobachten, ist ein Gewohnheitseffekt. Je öfter man früh aufsteht, desto leichter wird es für viele. Irgendwann kommt die Müdigkeit abends auch früher und die Einschlafzeit passt sich an. Fallen die Anreize des Frühaufstehens jedoch weg und man hat beispielsweise zwei Wochen Urlaub, kommt die Nachteule meist ziemlich rasch wieder durch.
Umstellung der inneren Uhr
Zahlreiche Studien zeigen inzwischen, dass der Großteil der Jugendlichen zu den Nachteulen zählt. Eine Verschiebung des Schulbeginns um nur eine Stunde kann bereits zu einem besseren Gesundheitszustand und einer allgemeinen Leistungsverbesserung führen. Nach der Pubertät pendeln sich die Schlafrhythmen meist ein und bleiben irgendwo zwischen Lerche und Nachteule hängen. Eine aktuelle Studie (Facer-Childs et al., 2019) versuchte aktiv, den Schlafrhythmus von Probanden, die eher dem Chronotyp Nachteule angehören, zu verschieben. Durch die Verschiebung um rund zwei Stunden in Richtung Frühaufsteher über einen Zeitraum von drei Wochen gingen dabei Depressions- und Stresswerte zurück und die Produktivität erhöhte sich. Während sich die innere Uhr also zu einem gewissen Grad bewusst beeinflussen lässt, richten langfristige, deutlichere Verschiebungen entgegen des Chronotyps Schaden an. Nachteulen schlafen weniger, sterben früher und haben einen Hang zu verschiedensten Erkrankungen, wenn sie sich gezwungen sehen, entsprechend der gesellschaftlichen Norm (sprich der der Lerchen) zu leben.
Wie lässt sich diesem Trend entgegenwirken? Arbeitszeiten müssten flexibler gestaltbar sein, ohne dadurch Nachteile befürchten zu müssen. Gleitzeitmodelle kommen Nachteulen dabei schon ein Stück weit entgegen. Werden wichtige Besprechungen auf den späten Vormittag oder frühen Nachmittag verlegt, kann ein Kompromiss zwischen Langschläfern und Frühaufstehern gefunden werden. Die Berliner Verkehrsbetriebe geben Mitarbeitenden zudem die Möglichkeit, eine bevorzugte Schicht für ihren Dienst zu wählen. Auch so kann jeder Mensch nach seiner inneren Uhr arbeiten. Freiberufler haben es ebenso leichter, sich die Arbeitszeiten selbst vorzugeben. Findet man sich doch in einem Job wieder, der keine andere Wahl lässt, also gegen die eigene Uhr zu arbeiten, kann sich diese immerhin mit Zeit und Disziplin zu einem gewissen Grad beeinflussen.
Fazit zu Nachteule oder Lerche
Den allgemein gültigen, idealen Arbeitsrhythmus gibt es wohl nicht. Die biologische Uhr eines jeden Menschen tickt anders und wird bestimmt durch genetische Einflüsse, Lichtverhältnisse und Gewohnheiten. Kommen Unternehmen den Bedürfnissen der Mitarbeitenden entgegen, profitieren Produktivität und Zufriedenheit. Kommt es durch die Zeitanforderungen im Berufsleben zu mentalen oder körperlichen Beschwerden, können ein Gespräch mit den Vorsitzenden, einem Berater oder eine Umschulung Abhilfe schaffen. Macht der Job glücklich und wird er mit einem gesunden Lebensstil und Einstellung komplementiert, lassen sich so manche Risikofaktoren damit negieren.
Drei Dinge helfen, die Mühseligkeiten des Lebens zu tragen: Die Hoffnung, der Schlaf und das Lachen.
Von Immanuel Kant
Literatur:
Facer-Childs, E. R., Middleton, B., Skene, D. J., & Bagshaw, A. P. (2019). Resetting the late timing of ‘night owls’ has a positive impact on mental health and performance. Sleep medicine, 60, 236-247.
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