Präsentismus: Der versteckte Kostenfaktor
Krankheitsbedingte Ausfälle verursachen jährlich hohe Kosten für Unternehmen. Mindestens genauso hohe Kosten, deren sich viele Unternehmen nicht bewusst sind, entstehen durch Präsentismus: Der Anwesenheit auf dem Arbeitsplatz trotz suboptimalem Gesundheitszustand. Sowohl Präsentismus als auch Absentismus sind wichtige Faktoren für die Produktivität am Arbeitsplatz, aber Präsentismus ist bei weitem der bedeutendere von beiden, denn Studien legen nahe, dass die wirtschaftlichen Kosten des Präsentismus viel höher sind als die des Absentismus. Es ist deshalb von entscheidender Bedeutung, dass Arbeitgeber den versteckten Kostenfaktor des Präsentismus erkennen und behandeln, sowohl für die Gesundheit ihrer Mitarbeiter als auch für die des Unternehmens.
Teures Engagement
Unter Präsentismus (oder Krankheitsanwesenheit) versteht man das Erscheinen zur Arbeit, ohne produktiv zu sein, in der Regel, weil der Gesundheitszustand dies verhindert. Dieses Phänomen ist kein neues, was jeder bestätigen kann, der sich schon einmal mit rasenden Kopfschmerzen zur Arbeit geschleppt hat. Doch während der Krankenstand der Mitarbeitenden im Rahmen der Gesundheits- und Produktivitätsüberwachung routinemäßig gemessen wird, wird die weniger greifbare Anwesenheit bei Krankheit oft ignoriert. So manche würden nun die Meinung vertreten, dass es nichts Schlechtes ist, wenn Mitarbeitende zur Arbeit kommen, obwohl sie krank sind. Präsentismus könnte schließlich auch ein Zeichen für hohes Engagement sein. Die Realität zeigt jedoch, dass kranke Mitarbeitende ineffektiver sind und ihre eingeschränkte Leistung zu Fehlentscheidungen führen kann, deren Behebung Zeit und Geld kostet.
Tatsächlich deuten immer mehr Belege darauf hin, dass der Teil der Arbeit, der durch Fehlzeiten verloren geht, im Vergleich zu der durch Präsentismus verlorenen Produktivität gering ist. Aber wie kommt es zu diesem Phänomen? Präsentismus kommt typischerweise häufiger in Unternehmen vor, in denen lange Arbeitszeiten als normal angesehen werden und betriebliche Anforderungen Vorrang vor dem Wohlbefinden der Mitarbeitenden haben. Zudem ist Krankheitsanwesenheit auch oft ein Ausdruck von Arbeitsplatzunsicherheit und steht in engem Zusammenhang mit Entlassungen. Ein angemessenes Management des Krankenstandes spart Unternehmen sowohl kurz- als auch langfristig Geld und trägt erheblich zum Engagement und zur Produktivität der Mitarbeitenden bei.
Tipps zur Bewältigung von Präsentismus im Unternehmen
1. Den Ursprung des Problems beheben
In manchen Unternehmen werden Mitarbeitende, die im Krankheitsfall zur Arbeit kommen, als engagiert angesehen, und es gilt als Norm, dass Teamleiter sich durch Krankheit durchkämpfen, um die Arbeit zu erledigen. Der tatsächliche oder eingebildete Druck, im Krankheitsfall zur Arbeit erscheinen zu müssen, senkt die Arbeitsmoral und wirkt sich negativ auf das körperliche und geistige Wohlbefinden aus. Machen Sie deutlich, dass Ihr Unternehmen von kranken Mitarbeitern erwartet, dass sie zu Hause bleiben und sich erholen.
2. Ursachen bewusst machen
Eine hohe Arbeitsbelastung kann dazu führen, dass Mitarbeitende aus Angst vor Fristen oder vor Überlastung der Kollegen während ihrer Abwesenheit nicht die nötige Auszeit nehmen. Die Art und Weise, wie Führungskräfte mit der Arbeitsbelastung ihrer Mitarbeitenden umgehen, wie sie kommunizieren und Unterstützung leisten, spielt eine große Rolle für das Ausmaß des arbeitsbedingten Stresses, den die Mitarbeitenden erleben. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass Führungskräfte die organisatorischen und verwaltungstechnischen Ursachen für arbeitsbedingten Stress und Erkrankungen kennen und über die notwendigen Fähigkeiten verfügen, um positive Arbeitspraktiken und Wohlbefinden zu fördern.
3. Anzeichen erkennen
Mitarbeitende mit gesundheitlichen, besonders psychischen Problemen, fühlen sich oft nicht in der Lage, diese ihren Führungskräften mitzuteilen. Und Führungskräfte sind selten darin geschult, sie wirksam zu unterstützen, wenn sie es doch tun. Es ist deshalb von entscheidender Bedeutung, dass Vorgesetzte geschult sind, die Signale zu erkennen, die auf ein hohes Maß an Stress oder psychischen Problemen bei den Mitarbeitenden hinweisen, und dass sie sich in der Lage fühlen, offene und unterstützende Gespräche mit den Mitarbeitenden über deren Gesundheit zu führen. Schulungen am Arbeitsplatz und die Sensibilisierung für häufige psychische und physische Gesundheitsprobleme tragen dazu bei, die Stigmatisierung zu verringern.
4. Präventiv arbeiten
Maßnahmen, die sich ausschließlich auf krankheitsbedingte Fehlzeiten konzentrieren, vermitteln nur ein unvollständiges Bild der gesundheitsbedingten Produktivitätsverluste eines Unternehmens. Vor allem strafende Abwesenheitsrichtlinien können mehr schaden als nützen, da sie Mitarbeiter davon abhalten, eine Auszeit zu nehmen, wenn sie sie brauchen, was dazu führt, dass Fehlzeiten einfach durch Anwesenheit ersetzt werden. Vorgesetzte sollten die Hintergründe hinter Präsentismus verstehen und Mitarbeitende sollten wissen, dass sie bei der Rückkehr an den Arbeitsplatz nach einer Krankheit unterstützt werden.
5. Betriebliches Gesundheitsmanagement
Berücksichtigt die Unternehmenskultur die Belastungen, denen Mitarbeitende innerhalb und außerhalb der Arbeit ausgesetzt sind? Eine strategische Unternehmenspolitik, die soziale, körperliche, geistige und finanzielle Stressfaktoren berücksichtigt und angemessene Unterstützung bietet, trägt wesentlich dazu bei, die Auswirkungen von Präsentismus zu verringern. Programme zur Förderung von Bewegung, Beratung oder Finanzmanagement können dazu beitragen, Krankheiten vorzubeugen und die Auswirkungen von Langzeiterkrankungen zu verringern. Der Zugang zu Beratungsstellen für häufige Erkrankungen wie Schlafstörungen und Allergien kann zudem positive Auswirkungen auf die Produktivität der Mitarbeiter haben kann.
Fazit zu Präsentismus
Wenn Sie Präsentismus als Problem noch nicht auf dem Radar haben, sollten Sie das jetzt ändern. Entsprechende Änderungen bei der Schulung von Führungskräften und die Auseinandersetzung mit problematischen Aspekten der Unternehmenskultur können maßgeblich dazu beitragen, dass Mitarbeitende langfristig gesünder und motivierter sind.
Zeit, dir wir uns nehmen, ist Zeit, die uns etwas gibt.
Von Ernst Ferstl, österreichischer Schriftsteller
Literatur:
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Johns, G. (2010). Presenteeism in the workplace: A review and research agenda. Journal of organizational behavior, 31(4), 519-542.
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