Private Sorgen: Sorgenfresser Arbeitsplatz
Ein Problem das wohl jeder kennt. Man ist innerlich mit privaten Sorgen beschäftigt, doch im Büro versucht man den Schein zu wahren, dass alles in bester Ordnung sei. Zähne zusammenbeißen und durch. Bis zu einem gewissen Grad funktioniert das auch ganz gut und man wird von der Arbeit abgelenkt. Es gibt allerdings auch Situationen, in denen wir uns überhaupt nicht mehr auf die Arbeit konzentrieren können und die Sorgen Überhand nehmen. Vor allem in schwierigen Lebenslagen, zum Beispiel beim Verlust eines Familienmitglieds, eines Freundes oder einer Trennung, fällt es dann schwer, Kollegen und dem Chef etwas vor zu machen. Viele Menschen scheuen sich, mit solchen Problemen im Büro offen umzugehen und haben Angst, unangenehm aufzufallen. Aus diesem Grund stelle ich mir heute die Frage, wie offen sollte man mit privaten Problemen im Büro umgehen?
Natürlich gibt es Menschen, die immer auf die Sonnenseite des Lebens fallen und die noch nie einen schweren Schicksalsschlag erleben mussten. Leider trifft dies aber nur auf sehr wenige Menschen zu und die meisten von uns haben bereits wirklich schwere Zeiten durchlebt. Gerade wenn es im Privatleben drunter und drüber geht, ist der Spagat zwischen Hochleistung im Job und dem Leben außerhalb des Büros eine große Herausforderung. Im Büro ist man häufiger mit dem Kopf ganz wo anders, man ist unkonzentriert vielleicht auch gereizt und missmutig. Zuhause fällt einem die Decke auf den Kopf aber man versucht trotzdem, alles unter einen Hut zu bekommen.
Angst mit privaten Sorgen offen umzugehen
Es ist extrem schwierig, solch private Angelegenheiten mit Kollegen oder dem Arbeitsgeber zu besprechen. Viele Menschen haben das Gefühl, sie dürfen private Probleme nicht in die Arbeit „mitnehmen“, sondern müssen Job und Privates ganz klar trennen. Mit solchen Sorgen müsse man alleine klar kommen und dürfe hier auf keinen Fall Schwäche zeigen. Darüber hinaus haben viele Angst, es würde ihnen geringere Leistungsfähigkeit zugeschrieben werden oder der Arbeitgeber hätte kein Verständnis für die Situation. Vielleicht könnte dieser sogar eine Kündigung in Betracht ziehen? Sind diese Sorgen, offen mit privaten Problemen umzugehen, berechtig? Vermutlich ja. Es gibt immer noch viele Unternehmen bzw. Führungskräfte, die es als absolutes No-Go sehen, wenn Mitarbeiter von privaten Schwierigkeiten im Unternehmen berichten. Allerdings ist es schlichtweg unmöglich Arbeit und Privates so stark zu trennen, dass wir all unsere Sorgen im Büro vergessen.
Eines ist ganz klar, wenn es einem Mitarbeiter schlecht geht, egal aus welchem Grund, kann dieser nicht die gleiche Leistung erbringen als sonst. Gerade deshalb ist es wichtig, dass ein offener und verständnisvoller Umgang in der Unternehmenskultur verankert ist, um solche Themen ansprechen zu können.
Offene Unternehmenskultur
Ich finde es wirklich erschreckend, wie viele Menschen sich nicht trauen, offen mit privaten Problemen umzugehen. Diese Angst kommt nicht von ungefähr, denn viele Manager sagen:“ das wäre ja noch schöner, wenn ich mich nun auch noch um private Probleme von Angestellten kümmern muss!“. Niemand spricht davon, dass eine Führungskraft Problemlösungen anbieten muss. Allerdings sollte ein Mitarbeiter keine Scheu haben, solche Sorgen anzusprechen. Eine Führungskraft sollte in so einem Fall empathisch reagieren, Mitgefühl zeigen und eventuell Unterstützung anbieten. Ist die Unternehmenskultur auf eine offene Kommunikation ausgerichtet, hat dies viele Vorteile für den betroffenen Mitarbeiter, aber auch für das Unternehmen selbst.
Vorteile einer offenen Kommunikation
Der Druck lässt nach
Stellen Sie sich vor, sie gehen jeden Tag ins Büro, können sich überhaupt nicht konzentrieren und immer wieder kommen Ihnen private Gedanken in den Sinn. Immer im Hinterkopf, dass davon aber niemand erfahren darf, versuchen Sie sich zu beherrschen und beißen die Zähne zusammen. Auf Dauer kann das sehr, sehr anstrengend werden und man leidet unter einer dauerhaften Doppelbelastung. Kann man in einem Unternehmen offen von privaten Problemen sprechen und zeigt der Arbeitgeber auch Verständnis, lässt der angestaute Druck sehr schnell nach.
Das Vertrauen steigt
In schwierigen Lebenslagen ist man auf Unterstützung angewiesen. Man kann nicht alles alleine schaffen, auch wenn es schwer fällt, sich dies einzugestehen. Kann ein Mitarbeiter in solch einer Situation auf das Verständnis vom Arbeitgeber zählen, steigert dies enorm das Vertrauen. Der Arbeitgeber sollte wissen, dass der Mitarbeiter trotz seiner Lage, sein bestes gibt. Der Mitarbeiter sollte hingegen sicher sein, dass auch ein kurzfristiger Leistungsabfall keine Kündigung oder dergleichen bedeutet und er jederzeit das Gespräch suchen kann.
Arbeitsklima verbessert sich
Auch die Unterstützung von Kollegen kann in schwierigen Zeiten extrem hilfreich sein. Bietet ein Kollege zum Beispiel an, einen Kundentermin zu übernehmen oder ein lästiges Telefonat zu führen, stärkt dies die Zusammengehörigkeit im Team enorm. Man bekommt das Gefühl, dass Kollegen hinter einem stehen und man mit dem Problem nicht ganz alleine ist. Darüber hinaus ist man auch eher bereit Kollegen die gleiche Unterstützung anzubieten.
Die Bindung an das Unternehmen steigt
Dieses gegenseitige Vertrauen mit Kollegen und der Führungskraft führt dazu, dass die Bindung an das Unternehmen ansteigt. Man ist eher bereit auch das Unternehmen in schwierigen Zeit zu unterstützen und Mehrarbeit zu leisten. So kann ein Gleichgewicht aus Geben und Nehmen entstehen, das für beide Seiten enorm wichtig ist.
Fazit
Es ist nie leicht, schwierige Lebenslagen oder Schicksalsschläge zu verkraften. Versuchen Sie aber nicht, alles alleine auf die Reihe zu bringen und Ihre Sorgen zu vertuschen. Dass es Ihnen nicht gut geht, kommt sowieso ans Licht und dann geht es Ihnen vermutlich schlechter, als wenn Sie von Vornherein reinen Wein eingeschenkt hätten. Bemerken Sie als Führungskraft einen abrupten Leistungsabfall bei einem Ihrer Mitarbeiter, suchen sie so schnell wie möglich den Dialog. Versichern Sie Ihrem Mitarbeiter Ihr Verständnis und Ihre Unterstützung, so werden beide Seiten davon profitieren.
Nichts kann den Menschen mehr stärken als Vertrauen, das man ihm entgegenbringt
von Paul Claudel
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Kommentar von Wolfgang Rottler |
Hallo Frau Andorfer,
In einem von Ihnen geschilderten Fall von Doppelbelastung würde ich mich auf jeden Fall bei meinem Hausarzt rückversichern, ob dieser bereit wäre, mich bei einer Eskalation der persönlichen Lage bzw. Verschlechterung für eine gewisse Zeit "herauszunehmen".
Die Verarbeitung (Trauer) von Tod bzw. Trennung oder ähnlich schwer gelagerten Schicksalsschlägen benötigt Zeit und Ruhe. Sehr wichtig dabei ist, denke ich, nicht ständig die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes im Hinterkopf zu haben. So ist es mir leider ergangen, als ich vor drei Jahren einen schweren Brandunfall hatte und wochenlang keinen Kontakt zur Aussenwelt aufnehmen konnte. Keine schöne Situation.
Ich bin ganz Ihrer Meinung, dass ein vertrauensvoller Rückhalt am Arbeitsplatz hierbei sehr wichtig wäre und entlastend wirkt.
schöne Grüße
Wolfgang Rottler
Antwort von Carina Andorfer
Lieber Herr Rottler,
vielen Dank, dass Sie Ihre Erfahrungen mit uns teilen. Ich finde Ihren Tipp, sich in solch schwierigen Lebenssituationen aus dem belastenden Arbeitsalltag "herzunehmen" zu lassen, sehr gut. Ich denke auch, dass es sehr wichtig ist, sich die Zeit zu nehmen, um ein schlimmes Ereignis verarbeiten zu können. Wenn hier der Arbeitgeber Verständnis zeigt und Rückhalt gibt, kann man sich wohl keinen besseren Vorgesetzten wünschen. Ich denke dies fördert das Vertrauen auf beiden Seiten und es kann sogar ein noch besseres Arbeitsverhältnis entstehen.
Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend,
Liebe Grüße, Carina Andorfer