Qualität erleben: Gähnende Langweile oder doch ein Erlebnis?
Es ist ein weiterer heißer Tag und die aktuelle Projektwoche neigt sich schon wieder dem Ende zu. Die Müdigkeit greift um sich; es waren lange Tage bis jetzt. Um 14:00 steht noch eine Schulung zu „Grundlagen Computersystemvalidierung“ an. Genau das richtige Thema, um in einem Projektraum unter dem Dach durch das „Schnitzeltief“ zu kommen. Die Schulung ist ein Pflichttermin und mir wird klar, dass das nicht einfach wird ... Qualität gilt ja an sich schon als trocken ...
Mit etwas Verspätung sitzen nun 15 mehr oder weniger aufmerksame Schulungsteilnehmer vor mir, 12 davon haben ihre Laptops offen, damit zumindest etwas Sinnvolles gemacht werden kann, der Rest tippt auf ihren Smartphones.
Um gleich alle Klischees zu erfüllen eröffne ich mit der ersten Folie:
Validierung – Definition
Laut EU-GMP-Leitfaden ist Validierung die dokumentierte Beweisführung in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Guten Herstellungspraxis, dass Verfahren, Prozesse, Ausrüstungsgegenstände, Materialien, Arbeitsgänge oder Systeme tatsächlich zu den erwarteten Ergebnissen führen.
GxP-relevante Prozesse, Geräte oder Systeme sind solche, die Einfluss auf die pharmazeutische Qualität eines Produktes bzw. die Sicherheit des Endverbrauchers haben, d. h. sie umfassen Daten und Funktionen in Zusammenhang mit der Identifikation eines Produktes, dessen Zusammensetzung und Herstellung, Verpackung, Prüfergebnissen, Chargenstatus, Lagerhaltung und Vertrieb. GxP-relevante Prozesse sind weiterhin solche, deren Ergebnisse in Zulassungsunterlagen einfließen.
... wenn ich dann noch ein Prozessmodell der Validierungsphasen nachlege, dann habe ich alle in meinen Bann gezogen ...
Wissen ist nicht gleich Verstehen
Als Berater (oder auch als Teilnehmer) kennen sie diese Situationen. Wie mache ich Qualität erlebbar? muss das immer mit gähnender Langeweile einhergehen?
Als Qualitätsmanager ist es meine Aufgabe, Spezialwissen zu vermitteln ... dachte ich zumindest lange. Heute weiß ich, dass das nicht reicht, um Qualität wirklich nachhaltig zu etablieren. Denn Qualität entsteht nicht aus ausgefeilten Anweisungen, sondern durch die Menschen, die diese Anweisungen umsetzen und mit Leben erfüllen.
Und damit verlassen wir den Pfad der reinen Wissensvermittlung und begeben uns auf die Ebene der Psychologie (was für einen gestandenen Berater gar nicht so einfach ist).
Es geht um Ziele für das Unternehmen und für die Mitarbeiter, um den Sinn hinter all den Anweisungen und um die Motivation jedes Einzelnen, an den Zielen zu arbeiten.
Das Hauptziel eines Unternehmens (In meinem Fall, in der Pharmaindustrie)
QUALITÄT:
Qualität muss in ein Arzneimittel produziert und nicht kontrolliert werden um zuverlässig alle Anforderungen und Spezifikationen zu erfüllen.
QUALITÄT:
Achten Sie auf alle relevanten Prozesse in der Supply Chain
QUALITÄT:
Betreiben Sie ein stabiles und belastbares Qualitäts Management System.
Eines der wichtigsten kleinen Wörter für einen Berater sollte sein „WARUM“. Ich muss den Sinn hinter den Aufgaben vermitteln, die anstehen. Sinn vermittelt man oft, indem man die Risiken aufzeigt, die entstehen, wenn Aufgaben nicht erfüllt werden.
Ein Risiko, das die alten Gallier um Asterix und Obelix für sich sahen, war es, daß ihnen der Himmel auf den Kopf fällt ... nun ... nach neuestem Stand der Wissenschaft kann man das mittlerweile ausschließen (wobei man in der Risikobetrachtung durchaus Naturkatastrophen vorsieht). Da meine Projekte überwiegend in der pharmazeutischen Industrie angesiedelt sind, kann ich Risiken ganz drastisch darstellen:
Wenn die erforderliche Qualität nicht geliefert wird, ... dann sterben Menschen
und um dem Ganzen noch mehr Nachdruck zu verleihen:
Denken Sie daran – Sie und Ich können zukünftige Patienten sein.
Es ist nicht immer angebracht, mit Angst zu argumentieren. Im Falle von Arzneimitteln aber durchaus berechtigt.
Nur wenn ich selbst für ein Thema brenne, kann ich andere dafür entzünden
Der wichtigste Punkt, um Nachhaltigkeit zu etablieren ist aber die Motivation. Zu Motivation an sich wurde in diesem Blog schon ausführlich geschrieben. Ein Aspekt ist mir dabei aber sehr wichtig. Die Motivation und Energie, die ich selbst als Berater in eine Gruppe trage. Oder im Umkehrschluss: Ich kann nicht von einer Gruppe Motivation erwarten, wenn ich es selbst nicht vorlebe.
Ich halte es dabei für äußerst wichtig, nicht als „Aufpasser“, sondern als „Trainer“ wahrgenommen zu werden. Ansprechbar zu sein und die Grundlagen von wertschätzender Kommunikation einzuhalten, sind dazu Voraussetzung.
Für einen Trainer ist es oberstes Ziel, seine Gruppe soweit zu befähigen, dass die anstehenden Aufgaben von der Gruppe selbst erfüllt werden können. Ein Fussballtrainer kann nicht selbst spielen; genausowenig ist es sinnvoll, als Berater Risikoanalysen oder Testpläne selbst zu erstellen. Nur so kann den Projektmitgliedern ein verantwortungsvoller Umgang mit dem neuen Prozess oder dem neuen System vermittelt werden. Es wird zu „Ihrem“ Prozess oder System. Genau dann wird Qualität auch erlebbar und nachvollziehbar.
Projekte nachhaltig erfolgreich zu gestalten ist für uns alle oberstes Ziel. Wenn wir den Bedürfnissen der Menschen hinter den Projekten die notwendige Aufmerksamkeit schenken, werden wir in Zukunft noch bessere Ergebnisse erzielen.
Die meisten Führungskräfte zögern, ihre Leute mit dem Ball laufen zu lassen, aber es ist erstaunlich, wie schnell ein informierter und motivierter Mensch laufen kann.
von Lee Iacocca
Einen Kommentar schreiben
Kommentar von Bernd Sankowsky |
Lieber Herr Kerneder,
die Darstellung und Länge der Blogartikel von Zweikern begeistert mich. Im Artikel Qualität, Erlebnis oder Langeweile bleiben -in dieser Kürze- nach meiner Einschätzung weitere Einflussfaktoren unerwähnt: zertifiziertes QMS bedeutet (je nach Branche) nicht zwangsläufig ausreichendes Risikomanagement, Qualifizierte Schulungen (besonders Ersteinweisungen nach MPG) und Kompetenzprüfungen oder gelebte Mitarbeiterbeteiligung mit Ideenmanagement.
Freundliche Grüße aus Berlin sendet B. Sankowsky
Antwort von Robert Kerneder
Hallo Hr. Sankowsky,
vielen Dank für Ihren Kommentar ... und ich freue mich, wenn Sie für sich nützliche Informationen oder Anregungen aus unseren Artikeln ziehen können.
Aus meiner Erfahrung gebe ich Ihnen völlig Recht. Tools alleine führen nicht zu besseren Ergebnissen oder Prozessen. Sie können aber eine Struktur vorgeben, um Veränderung nachhaltig und erfolgreich in Unternehmen zu etablieren. Abläufe wie Change Management oder auch Schulungsverwaltung sind heute ohne Toolunterstützung gar nicht mehr zu bewältigen.
In einem Vortrag des CIO eines großen deutschen Unternehmens habe ich ein Zitat gehört, das die Problematik gut zusammenfasst: "Wenn ich einen sch.... Prozess digitalisiere, dann habe ich einen sch.... digitalen Prozess".
Ich wünsche Ihnen eine schöne Woche und schöne Grüsse
Robert Kerneder
Kommentar von Katharina |
Hallo Robert,
Tolle Bilder und interessant geschrieben.
Grüße,
Katharina