Expertise: Der Killer für soziale Kompetenzen
Niemand mag Besserwisser, die zu jedem Thema ihren Senf dazu geben müssen, obwohl die Argumente einfach nur heiße Luft sind. Hat jemand aber tatsächlich etwas auf dem Kasten, dann hat man doch einen gewissen Respekt vor dieser Person. Manchmal hat man aber das Gefühl, dass Menschen die über ein großes Know-How und Fachwissen verfügen, auf menschlicher bzw. sozialer Ebene etwas hinterherhinken.
Das heißt, in der Zusammenarbeit mit Experten ist es oft schwierig, Diskussionen oder Gespräche zu führen, seine eigene Meinung anzubringen, geschweige denn Verbesserungsvorschläge zu unterbreiten. Schnell kommt der Gedanke auf, dass die eigene Meinung weniger wert ist oder als nervig betrachtet wird, da man sich sowieso nie so gut auskennen wird, wie der Experte.
Soziale Kompetenzen
Soziale Kompetenzen werden vor allem für Menschen mit Führungsverantwortung zu einem immer wichtiger werdenden Tool. Je mehr Mitarbeiter man führen soll, umso unwichtiger wird die Fachexpertise in seinem Bereich und umso wichtiger werden soziale Kompetenzen.
Das alleine ist oft schon ein verwirrendes Unterfangen. Ein Leben lang geht es darum, in seinem Bereich so viel Erfahrung und Wissen wie möglich zu sammeln, bis man am Ende am Gipfel ankommt, Führungskraft von 500 Mitarbeitern ist und plötzlich werden Aufgaben im eigenen Fachgebiet zur Nebensache. Nun steht die Führung der Mitarbeiter im Vordergrund und es werden Kompetenzen gefordert, mit denen man sich trotz all der Erfahrung noch nie auseinandergesetzt hat. Diese Kompetenzen umfassen zum Beispiel Gesprächsführung, Teamfähigkeit, Steuern von Arbeitsprozessen, Organisationskompetenz aber auch die Selbstwahrnehmung und Selbstreflexion, Empathie, Kommunikation, Konfliktlösung und vieles mehr.
Expertise vs. soziale Kompetenzen
Experten haben oft die Angewohnheit, sich nicht auf Diskussionen einzulassen, da sie sowieso von ihrer Meinung überzeugt sind, keine anderen Argumente akzeptieren und ihren eigenen Standpunkt durchsetzen. Gerade als Führungskraft von vielen Mitarbeitern ist es sehr wichtig, die Expertenrolle teilweise niederzulegen und eine eher soziale Richtung einzuschlagen, denn Ihre Fachexpertise wird zu diesem Zeitpunkt niemand mehr anzweifeln.
Nur so können Sie erreichen, dass Ihre Mitarbeiter mit Problemen zu Ihnen kommen, offen mit Ihnen sprechen und nicht mit Ablehnung reagieren. Eine Führungskraft muss definitiv auch offen für Kritik und Verbesserungsvorschläge sein, ansonsten werden Sie sich nicht weiterentwickeln, dann hilft auch die ganze Expertise nichts.
Studie: Selbsteingeschätzte Expertise vs. Rechthaberische Verhaltensweise und Offenheit
In vielen Studien wurde bereits bewiesen, dass Menschen, die der Meinung sind, Experten in einem Bereich zu sein, ihre eigene Meinung überschätzen. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Person tatsächlich Experte ist oder eben nur davon überzeugt ist. Menschen, die von ihrer hohen Expertise überzeugt sind, fällt es oft schwer, offen für Neues und andere Meinungen zu sein, sondern beharren eher auf ihrem eigenen Standpunkt. Dies ist allerdings auch von der Persönlichkeit der Person abhängig. Jemand der eher unsicher ist und sich von anderen Meinungen und Argumenten bedroht fühlt, reagiert eher rechthaberisch und engstirnig, als ein Mensch mit hohen Selbstbewusstsein, der sich in einer Situation sicher fühlt.
Darüber hinaus wurde herausgefunden, dass die Gesellschaft rechthaberische, dogmatische Einstellungen eher bei Experten akzeptiert, als bei Anfängern, bzw. Menschen mit weniger Erfahrung und Expertise.
Soziale Kompetenzen trotz Expertise
Ich will hier keinesfalls vermitteln, dass alle Menschen, die Ahnung von ihrem Job haben, geringe soziale Kompetenzen aufweisen oder immer auf ihre Meinung beharren. Natürlich gibt es genauso Menschen, die trotz all ihrer Erfahrungen und Know-How durchaus offen für neue Ansätze und Argumente sind. Auch in der Führung kann Fachwissen absolut hilfreich sein. Es kommt immer darauf an, wie man das Wissen verpackt und weitergibt.
6 Tipps wie Sie Experte und gleichzeitig sozial kompetent sein können!
Tipp 1: Seien Sie kein Besserwisser!
Prahlen Sie nicht mit Ihrem Wissen, andere Menschen haben auch was drauf und wissen manches vielleicht tatsächlich besser als Sie! Der Satz: „Was wissen Sie schon?“ ist sehr überheblich und hat hier nichts zu suchen.
Tipp 2: Seien Sie offen für andere Meinungen!
Hören Sie sich Argumente, auch wenn diese nicht Ihrer Meinung entsprechen, aufmerksam an und denken Sie darüber nach, bevor Sie darüber urteilen. Oft bringen andere Meinungen frischen Wind ins Unternehmen.
Tipp 3: Zeigen Sie Ihre Wertschätzung gegenüber anderer Meinungen!
Damit ist nicht gemeint: „Danke für den Vorschlag, aber das ist Mist!“. Ihr Gegenüber hat sich vermutlich viele Gedanken darüber gemacht und hat ein sachliches und freundliches Feedback verdient.
Tipp 4: Bringen Sie plausible Argumente!
Nehmen Sie sich Zeit, Ihrem Gegenüber zu erklären, worum es Ihnen geht, oder warum ein Vorschlag nicht umgesetzt werden kann. Ein „Sie haben keine Ahnung von diesem Thema!“, ist nicht erwünscht.
Tipp 5: Geben Sie Tipps, keine Anweisungen!
Wenn Sie einem Mitarbeiter sagen wollen, was für Sie der richtige Weg wäre, versuchen Sie Ihr Wissen in hilfreiche Tipps zu verpacken, anstatt einfach Anweisungen ohne Erklärung zu geben.
Tipp 6: Werden Sie sich Ihrer Schwächen bewusst!
Es gibt sicherlich Bereiche, von denen Sie keine Ahnung haben und in denen andere Menschen Ihnen weiterhelfen können. Mit der Einstellung „Ich kenne mich überall aus; Ich kann alles“, werden Sie nicht weit kommen.
Wenn Sie über ein breit gefächertes Fachwissen verfügen ist das kein Hinweis darauf, dass Sie geringe sozialen Kompetenzen besitzen. Unter gewissen Umständen kann Expertise allerdings einen Einfluss auf bestimmte soziale Kompetenzen haben und Sie unsympathisch und überheblich wirken lassen. Versuchen Sie nicht den Besserwisser heraushängen zu lassen, sondern seien Sie offen für Neues, Meinungen anderer und Veränderungen. Vor allem in Führungspositionen sollten die sozialen Kompetenzen und die Führung der Mitarbeiter im Fokus stehen, nicht der Experte, der sowieso alles besser weiß. Das macht es Ihnen leichter, eine gute Bindung zu Ihren Mitarbeitern aufzubauen und sich, sowie Ihr ganzes Team, ständig weiterzuentwickeln.
Welche Erfahrungen haben Sie bereits mit Experten aller Art gemacht? Haben Sie das Gefühl, gut diskutieren zu können oder neigen Sie dazu, andere Meinungen abzulehnen? Was ist Ihnen an einer Führungskraft wichtiger, soziale Kompetenzen oder Fachwissen? Wir freuen uns über Kommentare!
Von Leuten, die immer alles besser wissen, können wir nichts lernen
von Ernst Ferstl
Literatur
- Ottati V., Price E. D., Wilson C., Sumaktoyo N. (2015). When self-perception of expertise increase closed-minded cognition: The earned dogmatism effect. Journal of Experimental Social Psychology, 61, 131-136.
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Kommentar von Tim |
Hallo Andreas,
sehr schöner Beitrag und hilfreiche Tipps – danke dafür!
Ich bin promovierender Wirtschaftsingeneur und Geschäftsführer eines Startups. Oder kurz: ich bin prädestiniert dafür, ein Besserwisser zu sein. Mittlerweile habe ich das aber ganz gut im Griff und schaffe es, regelmäßig – und Gott sei Dank in immer kürzeren Abständen – über mich nachzudenken und meine Handlungen zu reflektieren. Das hilt mir ganz gut und optimiert meine Kommunikation.
Kurze Erinnerungen und Denkanstöße (wie dieser Artikel) helfen natürlich. :-)
Schöne Grüße
Tim
Antwort von Andreas Kerneder
Hallo Tim,
vielen Dank für deinen tollen und reflektierten Beitrag. Es freut uns natürlich, wenn dir unser Artikel gefallen hat. Wir freuen uns mit dir auch in Zukunft über relevante Themen diskutieren zu können. Schönen Abend Tim und bis bald.
Liebe Grüße
Andreas
Kommentar von Jörg Lenau |
Ihr Beitrag entspricht generell den Erwartungen derer, welche ihre Meinung kundtun wollen. Einem Experten hingegen geht es nicht um eine Meinung, welche ja eine rein geistige Auseinandersetzung/Vorstellung ist, sondern um fachliche oder erfahrungsmäßige (kompetente) Inhalte zu vermitteln.
Ich selbst bin reiner Autodidakt und wenn es um 'Expertisen' geht, habe ich situationsbedingt bisher fast ausschließlich Meinungs- und Statusträger mit ihren Theorien mir gegenüber stehen, warum ich diesbezüglich zunächst auch dazu übergehe, nur noch Bücher darüber zu schreiben.
Maßgeblich geht es doch darum, korrekte und passende Konversation zu betreiben. Und dies dann auch noch auf der Ebene des Dialoges. Zur Erläuterung des Dialoges wähle ich den Vergleich Tischtennisspielen. Wenn man einmal das Verhältnis jeweils miteinander vergleicht, wird's haarig, denn dazu sind die meisten von Grund auf nicht fähig. Somit ist darin entscheidend, inwiefern zumindest eine Seite daran überhaupt Interesse zeigt, einen Dialog zu führen.
Zentrum des Ganzen ist jedoch: worum handelt es sich bei der jeweiligen Konversation? Handelt es sich um einen Meinungs- oder Expertisenaustausch? Welche Relevanz hat die jeweilige Stellungnahme? Welchen Bezug habe ich zur gegenüberstehenden Person?
Ihr Beispiel vom Handwerker ist hierzu prädestiniert, um diese Verhältnisse hervorzuheben.
Antwort von Carina Andorfer
Lieber Herr Lenau!
Vielen Dank für Ihr Kommentar! Das stimmt natürlich, es gibt einen Unterschied zwischen einem Meinungsaustausch oder einem Expertisenaustausch. Doch gibt es auch zu Fachwissen immer wieder verschiedene Meinungen und Ansichten, über die diskutiert werden kann.
Ganz genau, Sie bringen es auf den Punkt, es geht vor allem um die Kommunikation und um eine Konversation auf gleicher Augenhöhe. Die Message dieses Artikel soll sein, dass man als Führungskraft manchmal auch seine eigene Expertise zurückhalten sollte, um ein offenes Ohr für die Meinung oder das Fachwissen von Mitarbeitern zu bekommen.
Liebe Grüße und einen schönen Tag,
Carina Andorfer