Stressoren in der Überzahl: Der Weg ins Burnout
Eines steht fest, die Anzahl an Stressoren, die täglich auf jeden von uns zukommen, steigen stetig. Unser ganzes Leben und unsere Umwelt werden immer schneller und die Anforderungen übersteigen unsere Möglichkeiten. Eine lange Zeit unter einem sehr hohen Stresspegel zu arbeiten kann uns nachweislich schädigen, nicht nur unserem Körper gefällt das eher wenig, sondern auch unserer Psyche.
Oft endet dieses hohe Stresslevel und Überforderung im Job, aufgrund von Stressoren, in einem Burnout. Dieser Begriff wurde in den letzten Jahren auch in den Medien intensiv behandelt. Die einen sagen, Burnout wäre eine neue Krankheit, die erst seit einigen Jahrzehnten auftritt, andere meinen, Burnout gäbe es schon immer, nur unter anderem Namen und die Kritiker sagen, Burnout gibt es überhaupt nicht. Natürlich gibt es auch Menschen, die es ausnützen wollen, dass Burnout immer mehr an Popularität gewinnt, um sich ein paar Wochen bezahlten Urlaub einzuheimsen.
Heute möchte ich dieses, schon sehr oft behandelte Thema noch einmal aufrollen, um zu zeigen, wie schwerwiegende Folgen ein Burnout haben kann und welche Kosten dadurch entstehen.
Burnout ist keine eigenständige Krankheit
Ich denke ich muss den Begriff Burnout nicht allzu ausführlich erklären, jeder weiß ungefähr, was das ist. Damit sind Sie definitiv nicht alleine, denn eine allgemeine Definition von Burnout gibt es nicht. Im Wesentlichen beschreibt Burnout ein Gefühl des Ausgebranntseins und die häufigsten Symptome sind emotionale Erschöpfung und Leistungsreduktion. Auch die Symptome, die bei Burnout auftreten sind extrem unterschiedlich und können sich bei jedem Menschen anders äußern. Insgesamt wurden bereits über 130 Symptome bei Burnout festgestellt. Was für eine Zahl, wie soll man denn bei 130 verschiedenen Symptomen, die auftreten können, eine Diagnose stellen? Genau, das ist das Problem. Aus diesem Grund kommt das Burnout in den gängigen Klassifikationssystemen, für psychische Krankheiten, DSM-IV der APA und ICD-10 der WHO als klinische Diagnose nicht vor. Im ICD-10 kommt das Burnout unter dem Begriff „Ausgebranntsein“ als Zusatzdiagnose vor. Diese kann allerdings wie es der Name schon sagt nur zusätzlich zu einer anderen Krankheit diagnostiziert werden und ermöglicht keine Einweisung in ein Krankenhaus.
Daten und Fakten zur psychischen Gesundheit
Aus dem Grund, dass Burnout nicht als eigenständige Krankheit angesehen wird, gibt es dazu auch keine Statistiken. Das Gefühl des Ausgebranntseins, das Burnout charakterisiert, wird so häufig unter dem Überbegriff „psychische Belastungen“ erfasst.
- 2011 wurden bundesweit 59,2 Mio. Arbeitsunfähigkeitstage aufgrund psychischer Erkrankungen registriert. Das ist ein Anstieg um mehr als 80 Prozent in den letzten 15 Jahren.
- Bis zu 13 Millionen Arbeitnehmer in Deutschland sind nach Schätzungen von Gesundheitsexperten und Krankenkassen von Burnout betroffen.
- Fast zehn Millionen Tage waren Erwerbstätige wegen Burnout-Symptomen in 2010 krankgeschrieben. Das heißt: Rund 40.000 Arbeitskräfte fehlten über das ganze Jahr im Büro oder an der Werkbank, weil sie sich ausgebrannt fühlten.
- Ein Burnout verursacht nach Untersuchungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Schnitt 30,4 Krankheitstage pro Jahr.
- 20% aller Erwerbstätigen erleben Burnout-ähnliche Phasen = jeder 5.
- Bereits jeder fünfte Arbeitnehmer leidet unter gesundheitlichen Stressfolgen – von Schlafstörungen bis zum Herzinfarkt.
- Jeder dritte Berufstätige arbeitet am Limit und fühlt sich stark erschöpft oder gar ausgebrannt.
- Fachleute beziffern den Produktionsausfallkosten und verlorene Bruttowertschöpfung in Deutschland auf rund 71 Milliarden
- 41 Prozent aller Neuzugänge zur Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit waren auf psychische Störungen zurückzuführen.
- Psychische Belastungen sind damit inzwischen Ursache Nummer eins für Frühverrentungen. Das Durchschnittsalter lag bei 48,3 Jahren.
Quelle: TK Gesundheitsreport & KKH-Allianz & WHO & Stressreport Deutschland 2012
Stress, Depression und chronische Ermüdung
Ist Burnout nun ein neues Phänomen, eine neu entdeckte Krankheit, oder ist es einfach ein Zusammenspiel von verschiedenen bereits bekannten Symptomen?
Das Burnout wird mit vielen verschiedenen Begriffen in Verbindung gesetzt. Beispiele dazu sind Distanzierung, Angst, Sorge, Langeweile, chronische Ermüdung, Depression, Job Unzufriedenheit, Ausflammen, Arbeitsstress, nervöse Zusammenbrüche, Nervenschwäche oder Überanstrengung.
Die 3 wichtigsten Begriffe, die Burnout beschreiben sind Arbeitsstress, Depression und chronische Ermüdung. Wenn man nun versucht die Unterschiede zwischen diesen Begriffen und Burnout zu finden, stößt man auf einige Probleme. Erstens haben sie dieselbe Mehrdeutigkeit wie der Begriff Burnout. Der Begriff Stress zum Beispiel ist nur schwer zu erfassen, da er unzureichend definiert ist. So könnte man zum Beispiel eine gestresste Person beschreiben, und die meisten Symptome werden auch auf Personen mit Burnout zutreffen. Das Selbe gilt für Depression und chronische Ermüdung.
Burnout und Stressoren im Job
Stressigen bzw. Stress entstehen dann, wenn die Anforderungen im Job die persönlichen Ressourcen übersteigen. Der Unterschied zwischen Stress und Burnout liegt oft bei der voraussichtlichen Dauer der Überbelastung. Das heißt Burnout entsteht durch einen längeren Zeitraum, in dem die eigenen Ressourcen ausgeschöpft werden.
In der heutigen Leistungskultur unserer Wirtschaft gibt es immer mehr und komplexere Stressoren, die täglich auf uns einwirken und unsere Ressourcen schwächen. Die folgenden Punkte beschreiben Risikofaktoren für unsere körperliche und psychische Gesundheit.
- Multitasking, wenn verschiedenste Arbeiten gleichzeitig erledigt werden müssen
- Überforderung durch zu hohen Leistungs- sowie Termindruck
- Arbeitsvorgänge und Abläufe, die sich ständig wiederholen
- Arbeitsunterbrechungen
- Der Druck, Arbeiten in kürzester Zeit erledigen zu müssen
- Zu wenig Personal und mangelnde Ressourcen
- Zu große, nicht bewältigbare Arbeitsmengen (z.B. zu hoch gesteckte Ziele, Überstunden und Schichtarbeit)
- Wenig Handlungsspielraum, keine Autonomie und Mitsprachemöglichkeiten
- Fehlende Rückmeldung (Feedback und Wertschätzung)
- Ständig anhaltende Konfliktsituationen (z.B. mit Kollegen oder Führungskräften)
- Hohe Emotionale Anforderungen, emotionaler Stress
- Wenig Soziale Unterstützung von Kollegen und Vorgesetzten
Für die Mitarbeiter eines Unternehmens ist es oft sehr schwer sich Anzeichen für ein Burnout einzugestehen. Sie wollen ihre Arbeit gut machen und wollen nicht als wenig belastbar gesehen werden.
Burnout Prävention zahlt sich aus
Warum sollte ein Burnout-Präventions-Projekt durchgeführt werden? Zum einen ist Burnout Prävention eine Kostenersparnis für Unternehmen. Im Folgenden wird dargestellt wie viele Kosten durch Burnout-Fälle entstehen können. Zum anderen sind es nicht nur die Kosten durch Ausfälle und Krankenstand die auf ein Unternehmen zu kommen, es kommt des Weiteren zu mehr Arbeitsunfällen und die Mitarbeiter verlieren stetig an Engagement und Motivation.
Umso früher eine sich anbahnende Burnout Erkrankung erkannt wird, desto kürzer ist die notwendige Behandlung und somit auch die Kosten. Hier unterscheidet man zwischen direkten und indirekten Kosten. Direkt sind zum Beispiel die Kosten für die Behandlung wie Psychotherapiestunden, Medikamenten, Arztbesuche. Indirekt ist der Produktivitäts- und Wertschöpfungsverlust wie z.B. Kosten für Krankenstand, Produktivitätsverlust (bis zu 65%) und erhöhte Frühpensionierungswahrscheinlichkeit durch das Leiden. Unternehmen bekommen also hauptsächlich die indirekten Kosten zu spüren. Die direkten Kosten werden teilweise von der Krankenkasse übernommen, können allerdings auch teilweise auf die betroffene Person zurückfallen.
Burnout sollte nicht unterschätzt werden
Burnout ist sicherlich keine Modeerscheinung, sondern das Resultat von stetig wachsenden Anforderungen und der ständigen Angst, ausgetauscht zu werden, sowie der steigenden Komplexität der Arbeitsaufgaben. Es steht außer Frage, dass sich die Symptome von Burnout mit verschiedenen anderen Krankheiten, vor allem aber mit der Depression überlappen. Nichts desto trotz ist Burnout eine sehr ernstzunehmende Krankheit, die schwerwiegende Folgen mit sich bringen kann. Auch wenn sich die Krankheit bei unterschiedlichen Menschen verschieden äußert, heißt das nicht, dass es sie nicht gibt, oder dass sie mit einer Depression gleichzusetzen ist. Es wäre wichtig, weiter an den physischen Veränderungen im Körper, die durch diese Krankheit entstehen zu forschen, um Burnout auch nachweisen zu können.
Nächste Woche möchten wir noch näher auf die Prävention von Burnout eingehen und die wichtigsten Interventionsmöglichkeiten vorstellen.
Stress ist wie ein Gewürz – die richtige Menge bereichert den Geschmack eines Gerichts. Zu wenig lässt das Essen fade schmecken, zu viel schnürt einem den Hals zu.
von Donald A. Tubesing
Literatur:
- Schneider F., Dreer E. (2013). Volkswirtschaftliche Analyse eines rechtzeitigen Erkennens von Burnout. Abgerufen von http://download.opwz.com/wai/Studie_UNI_Linz_Burnout_Volkswirtschaft_041213.pdf
- Mild Münchner Institut für lösungsorientiertes Denken. Homepage.
- Lohmann-Haislah, A. (2012). Stressreport Deutschland 2012. Psychische Anforderungen, Ressourcen und Befinden. Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin.
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Kommentar von Frau A. Elswald |
Hallo zweikern,
vielen Dank für den Einblick, was Burnout ist und wie viele Kosten für einen persönlich und für das Unternehmen tatsächlich entstehen können, wenn Burnout zu spät erkannt oder nicht ernstbenommen wird. Vielleicht helfen ja Fakten und Zahlen den Menschen mal, die Anforderungen und die Überforderungen zurückzuschrauben.
Ich gebe zu, ich hatte selbst lange Zeit damit zu kämpfen Burnout nicht nur als eine Modekrankheit anzusehen und Menschen, die selbst über sich sagten an dieser Krankheit zu leiden, zu verurteilen. Doch je mehr ich mich damit auseinandersetzte, desto verärgerter bin ich über die aktuelle Lage auf dem Arbeitsmarkt, aber auch im Privaten. Wie nur konnte es so weit kommen, dass Menschen sich gegenseitig in allen Bereich duellieren müssen, indem sie mehr in kürzester Zeit erledigen wollen. Auch bei Gesprächen mit Kollegen über die Ereignisse am Wochenende muss ich mich stark zurückhalten, um nicht ein Streitgespräch zu starten. Sogar in der Freizeit müssen wohl tolle und vor allem viele Dinge passieren, die doch tatsächlich auch nur Stress - Freizeitstress - auslösen können. Im Job ist es natürlich so. Jeder hat Angst davor ausgetauscht zu werden - gegen jüngere, die mehr leisten können, weil sie angeblich noch belastbarer sind und als Einsteiger vermutlich noch weniger Gehalt bekommen. Wieso ist es nicht mehr genug seine Arbeit - der Bereich, für welchen man eingestellt wurde - gewissenhaft und pflichtbewusst zu erfüllen und dabei Erfüllung zu erfahren. Ich geh davon aus, wenn nicht bald ein Umdenken stattfindet und die Unternehmenschefs, sowie die Mitarbeiter selbst ihre Anforderungen und Leistungsduelle zurückschrauben, Arbeit für die Meisten nur noch ein notwendiges Übel für die Finanzierung des eigenen Lebensunterhaltes ist und uns alle anfangs vielleicht noch Bauchschmerzen verursacht; uns aber schlussendlich an den Punkt des Burnouts bringt.
Aber bevor ich mich da nun zu sehr reinsteigere, breche ich an dieser Stelle mal ab mit dem Appell "Leute, genießt doch einfach mal die Ruhe (vor allem auch am Wochenende) und versucht euch nicht ständig gegenseitig zu übertrumpfen!"
Vielen Dank für den Artikel! Ich bin schon sehr auf den nächsten Artikel zu den Präventionen gespannt.
LG A. Elswald
Kommentar von Michael I. |
Sehr geehrte Herr Kerneder,
das Thema Burnout ist definitiv eines der zentralsten Themen in der heutigen Berufslandschaft und deshalb ist es elementar, dass man sich darüber konstruktiv auseinandersetzt.
Allerdings finde ich, dass ihr Betrachtungswinkel auf die Thematik der falsche ist. Am meisten störte mich direkt der Satz zum Auftakt:
"Eines steht fest, die Anzahl an Stressoren, die täglich auf jeden von uns zukommen, steigen stetig. Unser ganzes Leben und unsere Umwelt werden immer schneller und die Anforderungen übersteigen unsere Möglichkeiten."
Ist das so? Steht das wirklich fest? Steigt die Anzahl der Stressoren in jedem Beruf an jedem Arbeitsplatz stetig? Wird das Leben eines jeden immer schneller und resultiert deshalb ultimativ darin, dass jeder an den Punkt kommt an dem die Anforderungen seine persönlichen Möglichkeiten übersteigen?
Ich denke jeder der sich diesen Satz einmal genau durchliest kann gar nicht anders wie dies zu verneinen.
Die von Ihnen aufgelisteten Risikofaktoren sind sicherlich sehr gute Indikatoren ob ein Burnout bevorsteht oder nicht. Hier sollte man aber nicht das Peter Prinzip (https://de.wikipedia.org/wiki/Peter-Prinzip) mit einem Burnout verwechseln. Logischer Weise werden Personen welche einen Beruf ausüben für den sie nicht die nötigen Fähigkeiten haben (kognitiv, sozial, emotional, energetisch,...) letztendliche scheitern. Ob das nun eine Kündigung ist oder aber ein Burnout spielt dabei keine Rolle.
Bei solchen Fällen hilft dann in meinen Augen keine Burnout Prävention. Vielmehr ist der Schlüssel zur persönlichen gesunden Work-Life-Balance eine realistische Einschätzung seiner Fähigkeiten und die entsprechende Berufswahl. Wie Reinhard K. Sprenger schon vor langer Zeit sagte: "Die Entscheidung liegt bei dir" - jeder kann jeden Tag an seiner Berufswahl etwas ändern.
Für Phasen in denen die Spitze der Sinus Kurve erreicht ist und zu viele Stressoren für den aktuellen Moment anliegen ist es dann eher wichtig die richtigen Fähigkeiten und Methoden zu kennen um damit entsprechend umgehen zu können.
Ich denke das ist dann der einzig echte Punkt an dem man dann ansetzen kann und den betroffenen Personen psychologisch helfen kann mit solchen "Hoch-Phasen" umgehen zu können. Deshalb stimme ich ihnen zu zu versuchen frühst möglich zu erkennen bei wem individuell eine Gefährdung vorliegt um dann dagegen steuern zu können.
Jedoch darf auch hier nicht die Verantwortung allein beim Arbeitgeber liegen sondern sollte ja eigentlich im Selbstinteresse eines jeden sein und ist afaik auch durch die Grundversorgung einer Krankenkasse abgedeckt.
MfG
Michael I.
Antwort von Andreas Kerneder
Hallo Herr I,
vielen Dank für diesen tollen Beitrag. In vielen Punkten kann ich Ihnen nur voll und ganz zustimmen. Vor allem an dem Punkt der Eigenverantwortung muss man hier ansetzen. Ich bin bei Ihnen, wenn Sie sagen, man dürfe die Verantwortung nicht voll und ganz beim Arbeitgeber suchen. Trotz alledem ist es der Arbeitgeber, der den Rahmen für die etablierte Unternehmenskultur vorgibt. Und eben genau diese Kultur ist es, die uns das Arbeiten erleichtern kann bzw. auch erschwert.
Zum Thema Stressoren: Tatsächlich ist es so, dass aufgrund der ansteigenden Einflüsse von außen (Smartphones, Emails, Telefon, Computer, etc.) das Arbeitspensum erhöht werden kann. Problem hierbei ist, dass gebrachte Leistungen oftmals nicht mit Anerkennung gewürdigt werden, sondern tatsächlich als Standard angesehen werden. So sorgen diese ganzen Hilfsmittel nicht der Entlastung sondern in vielen Fällen sogar für Überlastung. Wir haben hier einen Artikel zum Thema Arbeitspensum verfasst: Arbeitspensum
Wie beschrieben, kann ich Ihnen aber in vielen Punkten nur beipflichten und es freut mich sehr, einen so kritischen und sinnvollen Kommentar bei uns im Kommentarbereich wiederzufinden. Denn genau dieser Austausch ist es, der uns schlussendlich zum Punkt der Selbstreflexion bringt (den Sie sich augenscheinlich auch wünschen.). So können Perspektiven entstehen, die uns voranbringen.
Vielen Dank dafür und einen schönen Rest-Dienstag.
Liebe Grüße
Andreas Kerneder