Teambildung: Überstrapaziert aber doch so wichtig
Teambildung oder auch Teambuilding ist heutzutage ein sehr häufig verwendeter Begriff in der Arbeitswelt. Der große Boom rund um dieses Thema ist im Rückzug. Viele haben bereits die Nase voll davon und assoziieren mit Teambildung vergeudete Zeit, nervige Spiele und am Ende noch mehr Arbeit als zuvor.
Das Bild, das Menschen über Teambildung haben, entsteht meist durch Erfahrungen mit Teambildungs-Seminaren, Workshops, Trainings oder internen Meetings. Nun ist der Output solcher Maßnahmen sehr stark von dessen Qualität abhängig.
Ist ein Teambildungs-Seminar qualitativ hochwertig und erfolgreich, können daraus wertvolle Erfahrungen mitgenommen werden und stellt einen Mehrwert für alle Teammitglieder, sowie für das gesamte Unternehmen dar.
Haben die Teilnehmer eines solchen Seminars allerdings den Eindruck, dass sie ihre Zeit mit sinnlosen Kindergarten-Spielchen vergeuden und währenddessen stapeln sich die Akten auf dem Schreibtisch, wird die Meinung darüber nicht die beste sein.
Diese Entwicklung ist allerdings bedenklich, da die Teamarbeit quer über Hierarchien, Branchen und Kontinente hinweg immer mehr an Bedeutung gewinnt.
Psychologische Theorien und Hintergründe von Teambildung
Jedes Team ist anders. Es gibt unterschiedliche Zusammensetzungen von Persönlichkeiten, verschiedene Kompetenzen und Fähigkeiten. Auch die Branche, in der das Team tätig ist, hat einen Einfluss auf die Gruppendynamik.
Aus diesem Grund ist es äußerst schwierig, globale Aussagen zu formulieren, die auf jedes Team zutreffen. Es ist unmöglich zu planen, wie sich eine Teamarbeit entwickelt oder zu versichern, dass ein Team in einer gewissen Zusammenstellung erfolgreich sein wird.
Durch diese Einzigartigkeit und Individualität von Teams sind sehr viele und unterschiedliche psychologische Theorien entstanden, die sicher nicht auf jedes Team zutreffen.
4 Phasen der Teamentwicklung nach Bruce Tuckman
Das Tuckman Phasenmodell wird häufig in Teamentwicklungsprozessen zu Beginn herangezogen, um zu bestimmen, an welchem Punkt sich ein Team befindet und welche Maßnahme die beste ist, um die Zusammenarbeit zu verbessern.
- Forming: Die Orientierungsphase, in der sich die Gruppenmitglieder kennenlernen. In dieser Phase ist die Leistungsfähigkeit noch eingeschränkt, da die Rollen im Team noch nicht verteilt sind und vieles noch unklar ist. Führungskräfte sollten in dieser Phase Sicherheit und Orientierung geben, Aufgaben aufzeigen, klare Anweisungen geben und die Arbeitsergebnisse regelmäßig kontrollieren.
- Storming: Die Nahkampfphase, in der die Ziele zunehmend klarer werden. Es gibt unterschiedliche Auffassungen, eine Rollenverteilung bildet sich heraus, erste Machtkämpfe entstehen. Führungskräfte sollten hier auf die Disziplin achten, zu Konflikten ermutigen, jedoch Angriffe unterbinden. Hier bieten sich bestimmte Kommunikationstechniken an. Außerdem können sie mit ersten, vom Team erreichten Erfolgen, die Motivation aufrechterhalten.
- Norming: Die Organisationsphase, in der klare Strukturen und Vereinbarungen getroffen werden. In dieser Phase sind bereits Ziele gesetzt und es geht mehr um die Umsetzung dieser Ziele. Führungskräfte helfen ihren Mitarbeitern am besten, indem sie z.B. Aufgaben übertragen, Wortführer stärker einbinden, Teambesprechungen ansetzen und Erfolge sichtbar machen.
- Performing: Die Integrationsphase, in der die Selbstorganisation in den Vordergrund tritt. Teams werden kreativer und flexibel im Umgang. Das Team arbeitet autonom und Prozesse werden bereits optimiert und verbessert. Führungskräfte sind nun gut beraten, Aufgaben weiter zu übertragen, sich zurückzuziehen und dabei offen für Neuerungen zu sein.
Fehlfunktionen eines Teams nach Lencioni
Nach Lencioni gibt es 5 Fehlfunktionen im gemeinsamen Handeln, unter denen die meisten Teams wie unter einer Krankheit leiden. Er beschreibt diese als Hauptgründe für das Nachlassen des Engagements und der Motivation in der Teamarbeit.
Vertrauen ist in seinem Modell die Basis für die weitere Zusammenarbeit. Danach folgt die Konfliktkultur, nach der man keine Auseinandersetzung mit Teammitgliedern scheuen sollte. Offene Diskussionen und Meinungsaustausch sind Grundzutaten für die Verbindlichkeit, ohne die kein Engagement entstehen kann. Wenn sich die Mitglieder eines Teams nicht mit den Entscheidungen identifizieren, will auch niemand für die Umsetzung dieser Verantwortung übernehmen. Die Ablehnung von Verantwortung kann wiederum zur Nachlässigkeit gegenüber den Ergebnissen führen. Statt gemeinsam Ziele zu erreichen, kümmert sich jeder nur um seine eigenen Vorteile.
Die Lencioni Pyramide kann dafür eingesetzt werden, jene Ebenen zu identifizieren, bei denen Probleme auftreten und so gezielt an diesen zu arbeitet.
Voraussetzungen für erfolgreiche Teamarbeit
Auch wenn Teams sehr unterschiedlich sind, gibt es verschiedene Kriterien, die die Zusammenarbeit zwischen den Teammitgliedern begünstigen.
- Ein klares Ziel. Damit alle an einem Strang ziehen, braucht es ein klares Ziel, wo die Reise hin gehen soll. Es ist klar zu definieren, was erreicht werden soll und wie es erreicht werden soll. Werden diese Ziele von den Teammitgliedern selbst gesetzt, ist die Motivation diese auch zu erreichen, am höchsten.
- Die richtige Größe. Das Team muss groß genug sein, um die Aufgabe gemeinsam stemmen zu können. Jedoch darf das Team auch nicht zu groß sein, um die Zusammenarbeit nicht zu erschweren.
- Unterschiedliche Persönlichkeiten. In homogenen Teams gibt es zwar weniger Reibungspunkte, doch es entstehen auch keine neuen Ideen. Kreative und erfolgreiche Teams brauchen unterschiedliche Charaktere (z.B. Querdenker, Vermittler, Kreative, Pragmatiker, usw.).
- Eine funktionierende Kommunikation. Die Mitglieder eines leistungsfähigen Teams müssen ständig in Kontakt miteinander stehen, Informationen austauschen und konstruktives Feedback geben.
- Wertschätzung und Anerkennung. Damit sich die Mitglieder eines Teams auf das Wesentliche konzentrieren können, muss ein wertschätzender Umgang vorherrschen. Wird im Team zusätzlich eine Anerkennungskultur etabliert, steigt die intrinsische Motivation sowie die Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter.
Teambildung auf zwei Ebenen
Um eine Teambildungsmaßnahme erfolgreich umzusetzen, müssen verschiedene Sinne angesprochen werden. Dazu soll ein Training zur Teambildung auf Sach- und Beziehungsebene stattfinden.
Teambildung auf Sachebene – Theoretische Hintergründe
Dazu gehört es, Mitglieder einer Gruppe über die Wichtigkeit eines funktionierenden Teams aufzuklären. Es ist wichtig Konfliktpunkte zu besprechen, wie man mit Kritik umgeht und wie man am besten Feedback gibt.
Kommunikation ist ebenfalls ein wichtiger Punkt, der bei Teambildung nicht vernachlässigt werden sollte.
Teambildung auf Beziehungsebene – Stärkung der Softskills
Zur Beziehungsebene gehören Aktivitäten, die das Team gemeinsam unternimmt. Dazu gehören verschiedene Workshops, bei denen die Teilnehmer z.B. verschiedene Problemstellungen lösen müssen und im Team handeln müssen. Zu einer Teambildung kann aber auch ein einfacher Ausflug in die Natur gehören, bei dem sich die einzelnen Teammitglieder besser kennenlernen sollen.
Nutzen von Teambildungs-Maßnahmen
Selbststeuerung: Das Team ist selbstgesteuert und kann sich selbst führen. Dadurch wird die Kontrolle durch einen Vorgesetzten überflüssig.
Identifikation: Das einzelne Teammitglied identifiziert sich stärker mit dem Ziel sowie dem Unternehmen an sich.
Flexibilität: Teams reagieren flexibler auf unterschiedliche Anforderungen oder Veränderungen.
Wissen, Erfahrung und Kreativität: Die Fähigkeiten des einzelnen können besser genutzt und deren Kreativität und Talente gefördert werden.
Motivation und Arbeitszufriedenheit: Beides bedingt sich gegenseitig und wird durch die Arbeit im Team gesteigert. Zusätzlich kommt es so zu einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen der einzelnen Mitarbeiter.
Verantwortung und Handlungsfreiheit: Jedes Teammitglied trägt einen Teil der Verantwortung zur Zielerreichung. Durch den größeren Handlungsspielraum steigt wiederum die Motivation.
Informationsfluss, Unterstützung: Die Information im Team wird direkt weitergetragen und die einzelnen Mitglieder können einander gegenseitig unterstützen und Feedback geben.
Leistungssteigerung und Produktivität: Durch die Teamarbeit kann in kürzerer Zeit mehr umgesetzt werden. Zusätzlich steigt die Leistungsbereitschaft jedes einzelnen Mitglieds.
Entwicklungschancen: Durch die Zusammenarbeit mit Experten anderer Bereiche können die Teammitglieder viel voneinander lernen. Darüber hinaus werden soziale Fähigkeiten, sowie Kooperations- und Kommunikationsfähigkeiten gestärkt und vernetztes Denken ermöglicht.
Teambildung ist, wenn es gut durchgeführt und umgesetzt wird, definitiv lohnenswert. Teambildung sollte mehr sein als ein Kindergeburtstag mit Friede-Freude-Eierkuchen, denn ansonsten ist in der Woche darauf wieder der normale Büroalltag eingekehrt.
Will man nachhaltige Verbesserungen erreichen, muss man zu allererst die Einzelpersonen mit deren Persönlichkeiten und Kompetenzen wahrnehmen und wie diese in Interaktion mit der Gruppe stehen. Dann erst kann man sich ansehen, was welches Teammitglied dazu beitragen kann, die Gruppe effizienter arbeiten zu lassen und welche Maßnahmen dazu umgesetzt werden müssen.
Um die ständig wachsenden Anforderungen an Teams zu bewältigen, ist die Teambildung sicherlich ein wichtiges Tool, das nicht zu unterschätzen ist.
Nach unserer Überzeugung gibt es kein größeres und wirksameres Mittel zu wechselseitiger Bildung als das Zusammenarbeiten.
von Johann Wolfgang von Goethe
Literaturverzeichnis
- Tuckman, Bruce W. (1965): Developmental sequence in small groups. Psychological Bulletin, Vol. 63, S.384-399.
- Lencioni P. (2004): das Buch „die fünf Disfunktionen eines Teams“.
- Mai. J. (2014): Karrierebibel – „Teambuilding Übungen: Tipps wie Sie ein Team bauen“.
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Kommentar von Michael Filusch |
Antwort von Andreas Kerneder
Kommentar von zweikern beim Interview #01: Teambildung | zweikern |
Kommentar von Klaus Dettmer-Guttandin |
Mein Fazit nach vielen Teamentwicklungsseminaren:
1. Eine solche Veranstaltung mit einem Moderator ist in aller Regel nur not-wendig, wenn das Team den Übergang von Forming zu storming nicht geschafft hat. Sehr häufig liegt es daran, dass der Teamleiter Angst vor Konflikten hat bzw. nicht genug darüber weiss, wie ein Team zu führen ist und stattdessen permanent zu individualpsychologischen Mitteln der Führung greift.
Mitarbeiter spüren diese Unfähigkeit sehr schnell und aus seltsamer Loyalität heraus tun sie so, als hätten sie miteinander Probleme. Zudem entstehen in dieser Übergangsphase "running gags", die immer wieder am Leben erhalten werden, in der Hoffnung, das Lachen möge bedeuten, dass man doch eine sehr fröhliche Stimmung miteinander habe.
2. Wenn dann ein Teamentwicklungsseminar angesetzt wird, wird dieses auf jeden Fall dann ein Misserfolg, wenn der Chef und das Team unter Umschiffung der storming-Phase direkt in die norming-Phase übergehen wollen. Das ist übrigens meinem Eindruck nach fast die Regel.
Dann definiert man Zuständigkeiten, Verantwortlichkeiten, Schnittstellen, Ziele, Aufgaben usw. protokolliert diese sehr ausführlich und muss dan feststellen, dass die Halbwertszeit all dieser Vereinbarungen gegen null tendiert - was den nächten drohenden Sturm aufziehen lässt, der dann mit noch mehr gags weggeglacht werden soll.
3. Der Kardinalfehler vieler Trainer besteht m.E. darin, dass sie im Vorfeld eines solchen Trianings Einzelinterrviews mit allen Mitarbeitern führen, die natürlich im Schutz der Vertraulichkeit eines Vier-Augen-Gesprächs viele viele wichtige Themen ansprechen. Nur wird das häufig in der Veranstaltung selbst nicht mehr so deutlich angesprochen, was häufig daran liegt, dass es den Mitarbeitern erheblich an kollegialer Loyaliltät manget. D.h. wenn MA A den Chef kritisiert, gibt es einen MA B, der dann sagt, dass er mit dem Chef ja kein Problem hätte.
4. Ein Teamentwicklungsseminar kann also nur einen nachhaltigen Erfolg ermöglichen, wenn es möglichst heftig stürmt und es regelmäßig durchgeführt wird.
Kommentar von Christian |
Ich finde das oft die Grenzen zwischen Teambuilding & Teamentwicklung leicht verschwimmen. Hier sollte doch eine klare Trennung erfolgen. Bei den meisten Teambuildingveranstaltern wird die Betreuung meist an Aushilfen bzw. Ferienjobber abgegeben. Das hierbei keine gesunde Reflexion für das Team erfolgt dürfte jedem klar sein.
Kommentar von Luisa |
Mir ist gerade aufgefallen, dass ihr die Grafik mit der Pyramide überarbeitet habt. Vielen Dank dafür. Darf ich diese runterladen und für eine Präsentation in der Uni benutzen? Das würde mich wirklich freuen.
Vielen Dank schon mal im Voraus.
Liebe Grüße
Luisa
Antwort von Andreas Kerneder
Liebe Luisa,
stimmt, wir haben die Grafik gestern ausgetauscht. Du darfst dir die Grafik gerne runterladen und für deine Präsentation nutzen.
LG
Andreas
Kommentar von Beat |
Ich finde die Übersicht zum Nutzen von Teambilding-Maßnahmen sehr hilfreich, vielen Dank dafür!
@Klaus Dettmer-Guandin: Ich stimme nicht ganz darin überein, dass Teambuilding vor Allem an der Heftigkeit des Stormings gemessen werden sollte. Aufgabe einer Teambuilding-Maßnahme ist meines Erachtens nicht, dass man Teams dazu bringt, sich gegenseitig in Frage zu stellen, anzugreifen und zu kritisieren. Man sollte sie nicht zwingen, sich gegenseitig an den Pranger zu stellen. Vielmehr geht es darum, ein tragfähiges Team zu schaffen, das sich nicht andauernd unterschwellig in Frage stellt.
Ich stimme Ihnen nämlich durchaus zu, dass es wichtig ist, Storming zu erkennen und zu bearbeiten. Scheuklappen gegenüber Storming führen eben dazu, dass die Perfoming-Phase nie einwandfrei stattfinden kann. Die Folge sind Distanz, unlösbare Reibung, schlechte Kommunikation etc.
Storming an sich ist nämlich eine Phase, die man nicht erzeugen muss/ soll/ kann. Sie passiert einfach. Erst das Ignorieren verursacht die Probleme! Gelingt es, die Probleme aus der Storming-Phase zu bearbeiten, kann ein tragfähiges, gut verzahntes Team mit einer angenehmen Performing-Phase entstehen.
-> Wichtig ist mir, dass die Storming-Phase nicht einmalig durchlaufen wird. Diese Phase kann immer wieder auftreten. Was jedoch kein Problem ist, wenn das Team damit gut umgehen kann. Ein gutes Team, das sich nicht in seinen Kompetenzen in Frage stellt, sollte nämlich durch aus Raum für Feedback, Kritik und das zielführende Hinterfragen von Strukturen und Prozessen haben dürfen. Vielen Dank für die Sichtweise!