Transformationale Führung: Dynamisch statt direktiv!
Eine sich stetig ändernde Umwelt bedarf immer flexibleren und dynamischeren Unternehmens- und Führungsmodellen. Ein dabei hervorstechender, immer weiter verbreiteter Führungsstil ist die transformationale Führung. In Deutschland wird in vielen Organisationen noch direktiv geführt, wobei Disziplin, Regeln und Leistungsorientierung die Grundpfeiler der Unternehmenskultur bilden. Diese Ausrichtung mag in vorhersehbaren, stabilen Umfeldern auch Erfolg bringend sein, in den meisten Brachen ist mittlerweile jedoch mehr Flexibilität gefragt. Was transformationale Führung ausmacht und welche Vorteile Unternehmen und Mitarbeitende durch diesen Führungsstil genießen, lesen Sie im neuen Artikel von zweikern.
Transaktional versus transformational
Der Politikwissenschaftler James MacGregor Burns analysierte gegen Ende des 20. Jahrhunderts die Führungsstile verschiedener Politiker und kam dabei zur Unterscheidung von zwei grundsätzlichen Stilen: transaktionale und transformationale Führung. Während erstere darum bemüht ist, den Status quo aufrechtzuerhalten, will transformationale Führung Veränderungen bewirken. Ausgebaut wurde diese Theorie schließlich von Bernard Morris Bass, der diesen Ansatz von der Politik auf die Mitarbeiterführung ausweitete. Transaktional denkende Führungspersonen geben klare Vorgaben bezüglich der Leistungen, die von Mitarbeitenden erwartet werden, sowie bezüglich der Folgen der Zieleerreichung. Die Motivation der Mitarbeitenden erfolgt dabei extrinsisch (äußerlich), also durch Belohnungen, Aufgaben und Verantwortung.
Transformational orientierte Führung hingegen versucht, die intrinsische (innere) Motivation der Mitarbeitenden zu wecken und dadurch Loyalität, Respekt und Vertrauen gegenüber der Führungskraft zu schaffen. Bass beschreibt vier Kriterien, die dafür erfüllt sein müssen: Die Führungskraft sollte als Vorbild auftreten, intellektuell anregen, individuell unterstützen sowie inspirierend motivieren. Mitarbeitende sollen dadurch eigenständiger und selbstbewusster werden und Intrapreneurship zeigen. Wird dieser Führungsstil erfolgreich umgesetzt, werden Mitarbeitende zur Veränderung ihres eigenen Verhaltens befähigt und tragen so zur kontinuierlichen Verbesserung von Arbeitsprozessen und der Zusammenarbeit bei. Das Unternehmen ist dadurch imstande, wandlungsfähig und agil zu sein.
Die 6 Dimensionen der Transformation
Bass hat vier Grundkompetenzen postuliert, die transformationale Führungskräfte erfüllen müssen (Vorbild sein, intellektuell anregen, individuell unterstützen, inspirierend motivieren). Diese wurden von Podsakoff und Kollegen (1990) erweitert, sodass sechs Dimensionen entstehen.
1. Vorbild sein
Menschen ahmen das Verhalten und die Einstellung anderer eher nach, wenn sie diese respektieren. Erwartet eine Führungskraft also gewisse Fähigkeiten von den Mitarbeitenden, sollte sie diese erst selbst praktizieren.
2. Vision schaffen
Gemeinsame Visionen und Werte sind Grundvoraussetzungen für das Entstehen von Inspiration und Motivation. Setzt sich ein Unternehmen für eine bestimmte Vision ein, ermutigt dies Mitarbeitende, Ziele zu setzen und zu erreichen, die diesen Werten näherkommen. Gibt es keine gemeinsam angestrebten Ziele, können darunter die Produktivität und die Arbeitsbeziehungen leiden.
3. Individuell unterstützen
Sollen Mitarbeitende motiviert und zufrieden in ihrem Unternehmen sein, ist die Unterstützung individueller Bedürfnisse extrem wichtig. Persönliche Fähigkeiten und Stärken werden durch eine unterstützende Haltung der Führungskraft gefördert und weiterentwickelt. Die Mitarbeitenden fühlen sich dadurch gewertschätzt und entwickeln ein höheres Selbstbewusstsein, wodurch sie sich befähigt fühlen, neue Herausforderungen in Angriff zu nehmen.
4. Gruppenziele fördern
Neben den Visionen der Organisation sind untergeordnete Gruppenziele ebenfalls essenziell zur Stärkung des Wir-Gefühls. Durch die Verfolgung gemeinsamer Ziele wird das menschliche Bedürfnis nach Zugehörigkeit befriedigt, was einen positiven Einfluss auf das Wohlbefinden hat. Eigene Ziele werden an die Gruppenziele angepasst, sodass alle Mitarbeitenden eines Teams an einem Strang ziehen.
5. Intellektuell anregen
Die fünfte Dimension beschreibt die intellektuelle Anregung der Mitarbeitenden durch die Führungskraft. Werden Mitarbeitende ermutigt, innovativ zu denken und Fehler oder Verbesserungsmöglichkeiten in bestehenden Systemen zu finden, profitiert das gesamte Unternehmen davon.
6. Leistung erwarten
Transformationale Führungskräfte erwarten auf individuelle Stärken abgestimmte Leistungen von den Mitarbeitenden und ermutigen sie dazu, Verantwortung zu übernehmen. Wichtig dabei ist, die Erwartungen nicht so hoch zu halten, dass sie unmöglich zu erreichen sind. Auch sehr niedrige Erwartungen sind kontraproduktiv und können ebenso demotivierend wirken.
Leichter gesagt als getan?
Die einzelnen Dimensionen der transformationalen Führung zu vereinbaren und praktisch umzusetzen ist keine einfache Aufgabe. Es müssen Möglichkeiten für Austausch und Diskussionen geschaffen werden und die Ergebnisse des Austauschs auch umgesetzt werden. Die gleichwertige Behandlung aller Teammitglieder lässt sich vermutlich in der Praxis nicht immer mit der Berücksichtigung der individuellen Bedürfnisse vereinbaren. Zudem müssen bereits im Vorfeld Erfahrungswerte und Beziehungen innerhalb des Teams vorhanden sein, um die Festigung gegenseitigen Vertrauens zu ermöglichen. Dieses Vertrauen muss die Führungsperson sowohl den Mitarbeitenden als auch sich selbst gegenüber zeigen, was erfahrenem Führungspersonal wahrscheinlich leichter fällt als noch unerfahrenen Führungskräften.
Diese Art der Führung mag manchmal anstrengender sein als bloßes direktives Verhalten, macht diesen Mehraufwand aber wett durch das Mehr an Kreativität, Commitment und Zusammengehörigkeit. Wie kürzlich bereits in einem Artikel erwähnt, ist der transformationale Führungsstil aufgrund seiner Flexibilität und Individualität besonders auch in Krisenzeiten sehr Erfolg versprechend. Adaption ist essentiell für das Überleben in ungewissen Umwelten, die täglich neue Herausforderungen mit sich bringen. Genau darin liegt die Stärke dieses Führungsstils.
Fazit zu transformationaler Führung
Starre Hierarchien und Inflexibilität sind Kennzeichen vieler deutscher Unternehmen. Ändert sich die Sicht auf Mitarbeiterführung und Unternehmenskulturen nicht bald, wird die Konkurrenzfähigkeit vieler Organisationen auf kurz oder lang darunter leiden. Wollen Führungskräfte andere Richtungen, Werte oder bestimmte Führungsstile anstreben, können Coachings und Beratungen dabei helfen. Werden die beschriebenen sechs Dimensionen der transformationalen Führung berücksichtigt, kann adaptionsfähiger Führung nichts mehr im Wege stehen.
Wer lange glücklich sein will, muss sich oft genug verändern.
Von Konfuzius
Literatur:
Bass, B. M. (1985): Leadership and performance beyond expectations. New York: Free Press.
Burns, J. MacGregor (1978): Leadership. New York: Harper & Row
Podsakoff, P. M., MacKenzie, S. B., Moorman, R. H., & Fetter, R. (1990): Transformational leader behaviors and their effects on followers’ trust in leader, satisfaction, and organizational citizenship behaviors. Leadership Quarterly, 1, 107–142.
Einen Kommentar schreiben