Weibliche Führung: Meistern Frauen Krisen besser?
Resilient, innovativ, motivierend und inspirierend sind nur einige der Eigenschaften, die exzellente Führungskräfte von durchschnittlichen unterscheiden. Eine Gruppe der Führungskräfte im speziellen scheint diese Merkmale dabei besonders oft aufzuweisen: Frauen. Laut einer 2019 veröffentlichten Umfrage (Zenger & Folkman) wurden Männer laut Angaben der Mitarbeitenden bei fast allen wichtigen Führungskompetenzen von Frauen übertrumpft. Vor allem in Krisen scheinen diese Unterschiede deutlich zu werden, da in ungewissen Situationen andere Fähigkeiten wichtig sein könnten als im „Normalbetrieb“. Dabei geht es natürlich nicht darum, dass Männer prinzipiell weniger gute Führungskräfte sind, sondern viel mehr um die zunehmende Wichtigkeit typischerweise eher „weiblichen“ Eigenschaften wie Mitgefühl und Empathie. Wie diese Geschlechterunterschiede entstehen und ob weibliche Führung Krisen besser meistern kann, lesen Sie in diesem Artikel.
Führung in Krisenzeiten
Vor allem in schwierigen, ungewissen Zeiten kann das Verhalten von Führungskräften entscheidend für den Fall oder den Erfolg eines Unternehmens sein. Dabei sind zwischenmenschliche Fähigkeiten besonders wichtig. Im einem kürzlich veröffentlichten Artikel von zweikern wurde eine Studie zitiert, die die Verbindung zwischen emotionaler Belastung von Mitarbeitenden im Homeoffice und der empfundenen Unterstützung durch das Unternehmen aufzeigt. Verspüren Mitarbeitende in schwierigen Zeiten wenig emotionale und materielle Hilfestellungen, sinken die Arbeitsleistung, Zufriedenheit und das Commitment zur Organisation.
Weibliche Führungskräfte verfügen über ein größeres Bewusstsein für die Ängste und das Wohlergehen ihrer Mitarbeitenden (Zenger & Folkman, 2019) und gehen daher gezielter auf die Bedürfnisse ihrer Mitmenschen ein. Zudem stehen flexible und innovative Führungsstile eng mit Unternehmenswachstum und Agilität in Verbindung – beides Fähigkeiten, die Frauen eher zugeschrieben werden als Männern. Damit ist es keine Überraschung, dass weibliche Besetzungen in Führungspositionen beliebt sind. Und trotzdem sind nur weniger als fünf Prozent der Fortune 500 CEOs Frauen. Der Grund dafür liegt in längst widerlegten Vorurteilen, was weibliche Führung angeht.
Eine weitere Studie fand eine deutlich geringere Wahrscheinlichkeit, dass Banken während einer Finanzkrise bankrottgehen, wenn die Führungskräfte weiblich sind im Vergleich zu männlichen Führungskräften (Palvia et al., 2015). Frauen zeigen mehr Charisma, berücksichtigen individuelle Umstände und verhalten sich konservativer, was Risiken anbelangt. Die Vorzüge dieser Eigenschaften scheinen dabei nicht nur in Finanzkrisen deutlich zu werden, sondern auch in weltweiten Pandemien.
Weiblich = wandlungsfähig!
Ein aktueller Beleg dafür, dass negative Vorurteile Frauen gegenüber unfundiert sind, ist der Umgang mit der COVID-19-Krise in den USA. Um den Umgang von weiblicher und männlicher Führung mit der Corona-Krise zu untersuchen, schauten sich die Forscher Sergent und Stajkovic (2020) die öffentlichen Daten von US-Staaten an. Sie verglichen Todesfälle von Staaten, die von einem Mann geführt wurden mit denen, die von Frauen geführt wurden und kamen zu einem eindeutigen Ergebnis: Unter weiblicher Führung verstarben weniger Menschen an bzw. mit einer COVID-19-Infektion. Zudem fand die Studie heraus, dass die Anordnung, soweit wie möglich zuhause zu bleiben, von der Bevölkerung nicht überall in gleichem Ausmaß akzeptiert wurde. Die Art der Ankündigung scheint entscheidend dafür gewesen zu sein, ob sie befolgt wurde oder nicht. Weibliche Gouverneure übermittelten die Anordnung mit mehr Empathie und Selbstbewusstsein als Männer, weshalb sie eher befolgt wurde.
Menschen scheinen sich Führungspersonen zu wünschen, die in der Lage sind, wandlungsfähig zu sein und neue Fähigkeiten zu erlernen. In emotional schwierigen Zeiten brauchen wir individuelle Lösungen, empathisches Verständnis und ein Gefühl von Sicherheit, dass bessere Tage folgen. Diese Eigenschaften werden laut Studien häufiger durch Frauen verkörpert und gelebt. Und doch sind in vielen Bereichen Frauen an der Macht noch eine Seltenheit. Dass von diesen Führungsqualitäten Mitarbeitende profitieren, zeigen unter anderem höhere Engagement-Werte bei weiblichen Chefs als bei männlichen. Natürlich sind Chefs nicht automatisch besser im Führen, nur weil sie weiblich sind. Männer zeigen beispielsweise bessere strategische Perspektivenübernahme und eine höhere technische Expertise als Frauen (Zenger & Folkman, 2019) und verfügen über Stärken in anderen Bereichen.
Die Arbeitswelt wird immer dynamischer und unvorhersehbarer, was nach Führungsqualitäten verlangt, die den damit einhergehenden Herausforderungen gerecht werden. Ein Führungsstil, der deshalb immer beliebter wird, ist die transformationale Führung. Transformationale Führungspersönlichkeiten zeichnen sich durch individuelle Unterstützung, inspirierende Motivierung und intellektuelle Anregung der Mitarbeitenden aus. Durch diese Eigenschaften sollen Mitarbeitende zur Selbstführung angeregt werden und sich dem Unternehmen gegenüber engagiert und loyal verhalten. Dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn offen und klar kommuniziert wird und eine stabile Vertrauensbasis entstehen kann. Genau diese Eigenschaften machen Frauen in Führungspositionen aus. Trotz zahlreicher Studien und Praxisbelegen müssen Frauen leider oft noch ihre Führungskompetenzen beweisen.
Fazit zu weiblicher Führung
Das veraltete Bild von Frauen, die sich über die Welt nicht zu viele Gedanken machen und sich mit Hausarbeit zufriedengeben, ist längst überholt. Trotzdem scheinen die Vorbehalte, mit denen sich Frauen in Führungspositionen oft konfrontiert sehen, hartnäckig zu sein. Von Mitarbeitenden wird weibliche Führung als positiv und in Krisensituationen als unterstützend und inspirierend empfunden. Diesen Führungsstil nennt man auch transformationale Führung – ein immer beliebter werdender Ansatz. Ich hoffe, in Zukunft deutlich mehr Frauen in Spitzenpositionen in allen möglichen Bereichen der Geschäfts- und Politikwelten zu sehen.
Führungskräfte brauchen keine Superkräfte. Oft reicht schon eine gesunde Portion Menschlichkeit.
Von Carsten Bach, Berater
Literatur:
Palvia, A., Vähämaa, E., & Vähämaa, S. (2015). Are female CEOs and chairwomen more conservative and risk averse? Evidence from the banking industry during the financial crisis. Journal of Business Ethics, 131(3), 577-594.
Sergent, K., & Stajkovic, A. D. (2020). Women’s leadership is associated with fewer deaths during the COVID-19 crisis: Quantitative and qualitative analyses of United States governors. Journal of Applied Psychology.
Zenger, J., & Folkman, J. (2019). Women score higher than men in most leadership skill. Harvard Business Review.
Einen Kommentar schreiben