Wettbewerb im Unternehmen: Fluch oder Segen?
Im Leben der meisten Menschen gibt es wahrscheinlich keinen Tag, an dem sie sich nicht auf die eine oder andere Weise mit anderen Menschen vergleichen. In der Schule werden bereits Klassenbeste belohnt, im Sport besteht das Ziel meist darin, bestimmte Meilensteine zu erreichen, und auch im Job warten Boni auf die erfolgreichsten Mitarbeitenden. Volkswirtschaften, Unternehmen und Menschen müssen sich stets von neuem an geänderte Umstände anpassen, um erfolgreich überleben zu können. Ist Wettbewerb dabei ein förderlicher Segen oder doch eher ein hinderlicher Fluch?
Funktionen in der Marktwirtschaft
Wettbewerb bedeutet immer ein Rivalisieren von zwei oder mehreren Personen, Gruppen oder Organisationen um begrenzte Ressourcen, Kunden, Umsätze oder ein bestimmtes Ziel. In den Wirtschaftswissenschaften gilt dabei: Je erfolgreicher ein Akteur ist, desto weniger erfolgreich sind die anderen. Ein wettbewerbsfähiges Unternehmen schafft es, seine Güter oder Dienstleistungen in relevanten, freien Märkten gewinnbringend abzusetzen. Dadurch entsteht ein selbstständiges System, das durch Angebot und Nachfrage reguliert wird.
Für Unternehmen stellt Wettbewerb eine Möglichkeit dar, ineffizientere Organisationen vom Markt zu vertreiben. Dadurch wird die wirtschaftliche Produktivität gesteigert, da Wettbewerb zur ständigen Verbesserung der Effizienz zwingt. In diesem Überlebenskampf kurbeln Unternehmen auch die Forschung und Entwicklung sowie Produkt- und Prozessinnovationen an.
Die Wettbewerbs-Medaille hat zwei Seiten: Einerseits kann Wettbewerb Innovation und neue Ideen anregen, andererseits übt er Druck aus und kann unter Umständen auch hinderliche Auswirkungen haben. Wie Menschen auf Konkurrenzkämpfe reagieren, hängt ab von Persönlichkeitseigenschaften, von der jeweiligen Situation und den eingeschätzten Gewinnchancen. Manche reagieren mit Angst und sabotieren deswegen häufiger, während Vorfreude und Aufregung zu mehr Kreativität im Konkurrenzkampf führen.
Konkurrenzkampf unter Mitarbeitenden
Wettbewerb ist ein Mittel, das vor allem auch aus Unternehmenssicht profitabel erscheint. Da das Wirtschaftssystem Unternehmen dazu zwingt, innovativ zu sein und die eigene Produktivität zu steigern, nutzen sie dieses Mittel gerne, um internes Benchmarking (der Vergleich von ähnlichen Tätigkeiten und Geschäftsprozessen) voranzutreiben. Dieser Konkurrenzkampf kann die Motivation und Leistung von Mitarbeitenden steigern, er kann aber auch ausarten und in kontraproduktive Schikanen umschlagen. Burnout ist nicht umsonst die Zivilisationskrankheit des 21. Jahrhunderts. Wenn Menschen unter hohem Druck leiden, Angst um ihren Arbeitsplatz verspüren oder die Aufgaben, die ihnen gestellt werden nicht mehr bewältigen können, führt dies zu einem Qualitätsabfall im Unternehmen.
Sie merken: Hier beißt sich die Katze in den Schwanz. Die Frage ist nun, wie kann man Wettbewerb nutzen, um möglichst viele Vorteile daraus zu generieren, ohne die Mitarbeitenden zu belasten?
(Kontra)produktiver Wettbewerb
Grundsätzlich lässt sich in den letzten Jahren in vielen Organisationen eine Entwicklung weg von klassischem Konkurrenzkampf in Büros und hin zu mehr Kollegialität und Teamwork feststellen. Microsoft vergibt Boni anhand von Zusammenarbeit mit Kollegen und Kolleginnen und dem daraus resultierenden Mehrwert für die Organisation und den Kunden, statt nach individuellen Leistungskriterien.
Ein gewisser Grad an Konkurrenzkampf zwischen Mitarbeitenden kann jedoch für Unternehmen auch förderlich sein. Vor allem bei ähnlich kompetenten Mitarbeitenden kann Wettstreit oft zu besseren Ergebnissen führen, da sie zumindest versuchen, mit den anderen mitzuhalten.
Sind die Leistungs- und Erfahrungsunterschiede zu groß, entstehen eher Missmut und Motivationsverluste, weil Mitarbeitende glauben, sowieso keine Chance zu haben. Bei der Einstellung neuer Mitarbeitender sind unsichere Führungskräfte schnell dazu verleitet, die weniger qualifizierten auszuwählen, da sie sich durch kompetentere Menschen bedroht fühlen. Diese aus hoher Konkurrenz erwachsende Angst, ersetzbar zu sein, schadet im Endeffekt der gesamten Organisation, da so nicht die besten Kandidaten eingestellt werden. Führungskräfte, die wissen, dass sie hohes Potenzial haben, holen sich dagegen die bestmöglichen Leute in ihr Team, da sie nach Verbesserung streben.
Reine Männersache?
Toxische Männlichkeit (d. h. die in der Gesellschaft vorherrschende Vorstellung von Männern als hart, aggressiv, keine Schwäche zeigend und immer im Konkurrenzkampf stehend) führt in vielen Situationen zu übertriebenem Konkurrenzdenken, unter anderem auch im Arbeitsumfeld. Dass Männer allgemein kompetitiver sind als Frauen, ist inzwischen empirisch gut belegt (siehe Niederle und Vesterlund, 2007). Männer schätzen ihr Umfeld kompetitiver ein und neigen deshalb eher dazu, zu sabotieren. Dadurch haben kompetente, aber weniger offensive Frauen oft keine echte Chance, im Unternehmen aufzusteigen.
Evolutionär gesehen ergibt diese Neigung Sinn: Männer zeigen mehr Wettkampfmotivation, weniger Aggressionskontrolle und mehr Bereitschaft zu stabilen Rangordnungen, da sie genetische Muster einer Dominanzhierarchie zeigen. Für Frauen hingegen hat eine derartige Veranlagung weniger Sinn, sie sind eher egalitär (nach Gleichheit strebend) ausgerichtet (Bischof-Köhler, 1992). Frauen unterschätzen deshalb schnell den „Feind“ im Büro, was ihnen einen Nachteil im Kampf um den Aufstieg verschafft.
Inhaltliche vs. Persönliche Konkurrenz
Konkurrieren Mitarbeitende auf einer persönlichen Ebene, erwachsen aus Neid und Missgunst schnell Sabotage-Aktionen bis hin zu Mobbing. Diese Art des Wettkampfs ist, einmal entstanden, durch Vorgesetzte schwer zu steuern. Nicht nur für die Teamarbeit und die betreffenden Projekte, sondern auch für das gesamte Unternehmen kann dies extrem schädlich sein. Wettbewerb lässt sich, einmal losgelöst, nur noch schwer kontrollieren, weswegen die Etablierung einer guten Unternehmens- und Fehlerkultur besonders wichtig ist.
Hilfreich für produktiven Wettkampf innerhalb von Unternehmen kann der Vergleich von Themen- statt Personengruppen sein. Dabei wird vermieden, dass durch den direkten Vergleich von einzelnen Personen durch Führungskräfte Neid entsteht. Stattdessen werden Projekte miteinander verglichen, die aus keinem festen Team bestehen, sondern regelmäßig durchmischt werden. So wird direkter Leistungskampf nicht komplett unterdrückt – was oft indirekten und unfairen Leistungskampf fördert – sondern der Vergleichsdrang gezielt und auf produktive Weise gelenkt. Leistungsorientierte Menschen werden durch solche Herausforderungen angespornt und motivieren so auch weniger kompetitive Teammitglieder. Dabei ist es wichtig, das Team und das Projekt statt einzelne Mitarbeitende zu loben. Es sollte klar kommuniziert werden, dass jeder Einzelne zwar wichtig ist, das Ziel letztlich aber nur gemeinsam erreicht werden kann.
Fazit zu Wettbewerb in Unternehmen
Wie viele menschliche Eigenschaften, ist auch Wettbewerb weder pauschal gut noch schlecht. Er kann sowohl zu Wachstum und Zusammenarbeit als auch zu Stagnation und Streitereien führen. Wettbewerb ist fester Bestandteil unserer Gesellschaft und kann nicht komplett vermieden werden. Um die Marktfähigkeit eines Unternehmens zu sichern, ist Konkurrenzfähigkeit unumgänglich. Auch innerhalb von Unternehmen kann Wettbewerb nicht umgangen werden. Nutzen Unternehmen dies jedoch zu ihrem Vorteil, steigt sowohl die Team- als auch die Innovationsfähigkeit der Mitarbeitenden.
If it doesn’t challenge you, it doesn’t change you.
Von Fred Devito
Literatur:
Niederle, M., & Vesterlund, L. (2007). Do women shy away from competition? Do men compete too much?. The quarterly journal of economics, 122(3), 1067-1101.
Bischof-Köhler, D. (1992). Geschlechtstypische Besonderheiten im Konkurrenzverhalten: Evolutionäre Grundlagen und entwicklungspsychologische Fakten. Zeitschrift für Personalforschung/German Journal of Research in Human Resource Management, 251-281.
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