Hands-on Psychologie: Aktives Zuhören
Aktives Zuhören: Beinahe jeder Mensch hat eine klare Vorstellung von diesem Begriff, und dennoch sehen wir in unserer Arbeit kaum ein Gespräch, das die Regeln des aktiven Zuhörens wirklich einhält. Die Folgen sind Missverständnisse, unklare Aufgabenstellungen, mangelnde Informationsweiterleitung, Voreingenommenheit, Konflikte und ausufernde Diskussionen. Dies kostet sowohl den Beteiligten wie auch den betreffenden Unternehmen viel Zeit und Energie. Die Qualität von Meetings und Diskussionen sinkt und damit auch die Qualität der Arbeit, welche mit diesen Gesprächen in Verbindung steht. Es gibt daher von allen Seiten einen Bedarf nach einer gelebten Form des aktiven Zuhörens.
Was ist aktives Zuhören?
Die Definition des aktiven Zuhörens variiert innerhalb von Unternehmen stark, obwohl der Begriff von wissenschaftlicher Seite klar definiert wurde. Für viele beginnt aktives Zuhören bereits damit, dass man in Meetings die Smartphones ausschaltet oder nicht aus dem Fenster schaut, wenn eine Präsentation gehalten wird. Die Frage ist: Gehört dies wirklich zum aktiven Zuhören oder ist dies einfach ein respektvoller Umgang mit seinen Mitmenschen?
Aufmerksame Leser werden bemerken, dass wir dieses Thema bereits in einem unserer Artikel behandelt haben. Wir möchten auf diesem Grundlagenartikel aufbauen und näher auf die Vorteile und Besonderheiten des aktiven Zuhörens eingehen. Als kurze Einstiegshilfe haben wir noch einmal die wichtigsten Aspekte dieser Technik herausgearbeitet:
Ziel des aktiven Zuhörers ist es, das was das Gegenüber gesagt hat, vollständig und korrekt wiedergeben zu können. Dies erfordert Zurückhaltung seitens des Zuhörers, indem man seinem Gegenüber den Raum gibt, seine Bedürfnisse, Wünsche und Emotionen darstellen zu können. In jeder Nachricht meines Gegenübers schwingen auch dessen Gefühle mit, die ich durch aktives Zuhören aufnehmen kann, ohne sie zu bewerten. Es gibt eine Vielzahl von Methoden des aktiven Zuhörens, die mich als Zuhörer dabei unterstützen, meinen Gesprächspartner vollständig zu verstehen.
1. Paraphrasieren
Das Paraphrasieren ist wohl die wichtigste Methode des aktiven Zuhörens. Ziel ist es, herauszufinden ob man das eben Gesagte so aufgenommen hat, wie es der „Sender“ formulieren wollte. Die Essenz der Aussage wird in eigenen Worten wiedergegeben und gemeinsam mit dem Sender bestätigt oder korrigiert. Das Paraphrasieren unterscheidet sich daher deutlich von einer einfachen Wiederholung der Worte! Auf diese Weise verstehen sowohl Sender wie auch Empfänger eine Aussage auf dem gleichen Level.
2. Verbalisieren
Bei der Methode des Verbalisierens spiegelt der Zuhörer die Gefühle seines Gesprächspartners. Der Zuhörer erkennt beispielsweise, dass der Gesprächspartner Stress empfindet, weil seine/ ihre Deadline eines Projekts näher rückt. Der Zuhörer sagt daraufhin: Ich merke richtig, dass du dich gestresst und unter Druck gesetzt fühlst. Die Projektdeadline steht schließlich an.
3. Zusammenfassen
Die abschließende Zusammenfassung des Gesagten durch den Zuhörer vermittelt noch einmal den Eindruck, dass der Zuhörer aufmerksam zugehört hat und ihm/ ihr der Gesprächspartner am Herzen lag. Es ergeben sich in einer solchen Zusammenfassung Problemlösungen, und der Gesprächspartner hat die Möglichkeit durch Ergänzungen wichtige Schwerpunkte zu setzen. Anders als das Paraphrasieren kommt die Zusammenfassung meist zum Abschluss einer Diskussion. Die Zusammenfassung ist ein gemeinsamer Feinschliff der Erkenntnisse aus der Diskussion.
Die vollständigen Techniken des aktiven Zuhörens finden Sie als Whitepaper zum Thema Kommunikation auf unserer Homepage.
Aktives Zuhören im Arbeitsalltag
Der Ursprung des aktiven Zuhörens findet sich tatsächlich fernab jeder Meeting-Diskussion in den Anfängen der klientenzentrierten Therapie von Carl Rogers.
Ihr liegt die Theorie zugrunde, dass ein Klient am Besten in der Lage ist, seine persönliche Situation zu beschreiben und anhand dessen Lösungen dafür zu suchen. Außerdem zeichnet sich die klientenzentrierte Therapie dadurch aus, dass der Therapeut auf das Wachstum(spotenzial) seines Klienten vertraut. Dieses Vertrauen mündet schlussendlich in die Nicht-Direktivität des Therapeuten, welche man heutzutage in vielen Führungsleitsätzen wiederfindet.
Eine Führungskraft ist zum Beispiel Nicht-Direktiv, wenn Sie die eigene Ambition und Zielsetzung für ein Gespräch so ausklammert, dass sie es dem Gegenüber überlassen kann, eigene Schlussfolgerungen aus dem Meeting zu erarbeiten. Nicht-Direktivität tritt immer dann ein, wenn die Kontrolle über das Gespräch und dessen Erkenntnisse nicht allein bei der Führungskraft liegt.
Auch in einer Moderation, in der ein Mitarbeitender oder eine Führungskraft gebeten wird, die Rolle des Moderators zu übernehmen, ist dieser Ansatz die Grundlage dafür, dass sich Mitarbeitende befähigt fühlen, ihre eigenen Ansichten vorzubringen und zu verteidigen.
Nicht-Direktivität bedeutet weiterhin, dass wir in uns gegenseitig selbstgesteuerte, reflektierte Gedankenprozesse anregen können, um uns gegenseitig zu Lösungsfindungen und persönlicher Entwicklung anzutreiben. Die nicht-direktive Führungskraft stellt also eigene Ideen und Bedürfnisse zur Lösung eines Problems zurück, um den Entwicklungsprozess des Gegenübers zu fördern. Er/ Sie bewertet nicht das Verhalten oder das Erleben und vermeidet Interpretationen, die nicht vonseiten des Mitarbeitenden bestätigt werden.
Dies erfordert ein hohes Maß aktiven Verhaltens seitens der Führungskraft. Doch Vorsicht! Es geht dabei nicht darum, sich als Experten auszugeben und darüber zu entscheiden, ob der Mitarbeitende richtige Entscheidungen trifft. Der Mitarbeitende gibt in diesem offenen Austausch die eigene Einschätzung und Wahrnehmung preis und ist stets der Richter darüber, ob die eigene Aussage richtig interpretiert wurde.
Um ein Beispiel zu nennen: Der Mitarbeitende erzählt, dass er vor einem wichtigen technischen Problem stünde, bei dem nur ein bestimmter Kollege helfen könne. Besagter Kollege teilt ihm jedoch mit, dass er dafür keine Zeit habe. Die Führungskraft fragt den Mitarbeitenden in einem solchen Fall und im Rahmen des aktiven Zuhörens: „So wie ich das verstehe, sind Sie auf die Hilfe Ihres Kollegen angewiesen und momentan davon enttäuscht, dass er Ihnen in dieser Situation nicht zur Seite gesprungen ist?“
Die Reaktion der Führungskraft fördert somit eine Stimmung, in der sich der Mitarbeitende ohne Bedenken öffnen kann, ohne sich Sorgen machen zu müssen, dass seine Aussagen bewertet oder gar verurteilt werden. Gleichzeitig bleibt die Führungskraft gegenüber beiden Seiten urteilsfrei und neutral. Sie erhält in dieser Situation einen Einblick in die Gefühlswelt des Mitarbeitenden. Somit wird Nähe geschaffen und die Führungskraft kommt in Kontakt mit dem Erleben des Mitarbeitenden.
Sie dringt zu den eigentlichen grundlegenden Bedürfnissen (Sicherheit, Autonomie, soziale Beziehungen etc.) des Mitarbeitenden durch und kann so Konflikte entschärfen und antizipieren, ohne den Beteiligten Entscheidungen ihrerseits aufzudrängen.
Fazit zu Aktivem Zuhören
Aktives Zuhören fordert viel Konzentration und Reflexion von uns. Es ist anfangs anstrengend, sich Aussagen nicht nur anzuhören und dann eigene Schlüsse zu ziehen. Aktives Zuhören bedarf viel Übung, aber es kann erlernt werden und ist in allen Lebenslagen eine wunderbare Methode, um seinem Gegenüber Wertschätzung auszudrücken mit der Möglichkeit ihn/ sie besser zu verstehen. Somit können Missverständnisse, Konflikte und aufreibende Folgeproblematiken (s. o.) nicht nur vermieden werden, vielmehr kann die Gesprächskultur und auch die Effizienz innerhalb eines Unternehmens massiv verbessert werden.
Wenn Reden Silber und Schweigen Gold ist, dann ist Zuhören Platin.
von Andrzej Majewski (polnischer Aphoristiker und Publizist)
Literatur:
Neuroleadership - Grundlagen, Konzepte, Beispiele
Erkenntnisse der Neurowissenschaften für die Mitarbeiterführung (Theo Peters, Argang Ghadiri)
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Kommentar von Klaus Dettmer-Guttandin |
M.E. wird v.a. bei der Technik des Verbalisierens ein Aspekt meist gar nicht berücksichtigt.
Diese Technik kommt aus der therapeutischen Arbeit und hilft tatsächlich sehr, dass mein Gesprächspartner sich als verstanden erlebt.
Im Arbeitsalltag muss allerdings bedacht werden, wie in einer Situation mit unangenehmen Gefühlen die jeweilige Beziehung strukturiert ist.
Was meine ich damit? Im therapeutischen Kontext ist der Zuhörer der Außenstehende, der die Gefühle des Gegenübers als verstanden zurückspiegelt und damit ein Fundament für produktive Gespräche legt. So gesehen kann natürlich auch ein Vorgesetzter gleichsam der außenstehende "Therapeut" sein.
In vielen Situationen im Arbeitsalltag muss allerdings der Vorgesetzte erkennen und als verstanden zurückspiegeln, dass er nicht nur der "Versteher" unangenehmer Gefühle ist, sondern vielmehr im Erleben des Gegenübers der Auslöser von z.B. Ärger, Furcht usw.
Deswegen kann die Technik des Paraphrasierens statt zur Deeskalation erheblich zur Eskalation führen, denn wenn ich Auslöser "therapeutisch" zuhöre (ich sehe,Sie sind verärgert) steigt in aus der (Konflikt-)Beziehung aus, was den Ärger des Gegenübers erheblich steigern lässt.
Deswegen muss beim paraphrasieren starker Gefühle bedacht werden, ob mein Gegenüber mich als "Therapeut" oder als Auslöser seiner Gefühle erlebt.
Zweiter Schwachpunkt beim Übertragen der Zuhörtechniken in den Arbeitsalltag: Alle Zuhörtechniken - ob auf der inhaltlichen oder emotionalen Ebene - zielen auf ein ja oder nein als Antwort. Was jedoch zu wenig bedacht wird, ist die Frage, wie geht es nach dem Zuhörsatz weiter, v.a., wenn Gesprächspartner in einer Thematik unterschiedliche Ansichten, Meinungen, Vorschläge, Positionen etc. haben.
Deswegen müssen meines Erachtens Zuhörtechniken viel stärker mit Argumentationstechniken verknüpft werden, so dass deutlicher wird, wie ich mit Techniken des Zuhörens eine zielführende Diskussionen vorbereiten kann. Das heißt, im Arbeitsalltag müssen Zuhörtechniken erweitert werden um Elemente bewusst direktiver Gesprächsführung.
Antwort von Katharina Raichle
Hallo Herr Dettmer-Guttandin,
vielen Dank für Ihren interessanten Beitrag!
Ich gebe Ihnen vollkommen recht, dass die Übertragung der eigentlich aus dem psychotherapeutischen Kontext stammenden Technik des aktiven Zuhörens einige Hindernisse mit sich bringt. Die Technik sollte meiner Meinung nach auch nicht angewendet werden, wenn der Mitarbeitende ein grundsätzliches Problem mit der Führungskraft hat. Allerdings sucht der Mitarbeitende in diesen Fällen die Führungskraft auch nicht in der Rolle des "Mediators" auf.
Wie sehen Sie das?
Spannend finde ich außerdem, dass es im therapeutischen Kontext nicht dazu kommen wird, dass die beiden Gesprächspartner unterschiedliche Ansichten haben können, da es in diesem Setting ausschließlich um die Gefühle, Bedürfnisse und Meinungen des Klienten geht. Diese Situation wird nicht im Arbeitskontext auftauchen, da die Führungskraft auch einen Standpunkt zu vertreten hat. Dies ist in der Tat eine Herausforderung für die Übertragung dieser Zuhörtechnik in den Arbeitsalltag.
Liebe Grüße
Katharina von zweikern
Kommentar von Klaus Dettmer-Guttandin |
Hallo Frau Raichle,
Ich bin der Meinung, dass Techniken des verbalisierens von einem Vorgesetzten gerade dann am wirkungsvollsten sind, wenn es ein "Problem" zwischen Mitarbeiter und Führungskraft gibt. Allerdings würde das auf Seiten der Führungskraft erfordern, sich tatsächlich in der Rolle des Auslösers einer emotionalen Geladenheit beim Mitarbeiter zu sehen. Das allerdings - so fürchte ich - erfordert einen Mut, den zu viele Führungskräfte nicht aufbringen werden. Es erfordert eine Disziplin in der banalen Erkenntnis, dass Absicht und Wirkung von Handlungen und oder Worten grundsätzlich voneinander abweichen. Es erfordert die Disziplin, die "unangnehme" Wirkung beim Mitarbeiter als durch das eigene Handeln verursacht zur Kenntnis zu nehmen, und dabei davon auszugehen, dass die Güte der Absicht des eigenen Handelns nach wie vor besteht. Es erfordert Disziplin darin, dass "UND" zwischen guter Absicht und schlechter Wirkung einfach mal auszuhalten.
Kommentar von Bastian Loosmann |
Hallo,
mein Highlight dieses Beitrags ist der Begriff „nicht-direktive Führungskraft“. Mitarbeitende haben meistens eine eigene Idee, wie sie eine Aufgabe lösen würden. Beim berühmten Bierchen fällt oft der Satz: "Man müsste mal..." Im Lauf der Zeit gehen diese Ideen verloren. Nicht-direktive Führung reanimiert diese Haltung und fordert Mitarbeitende auf, eigene Ideen zu entdecken und zur Diskussion zu stellen.
Dadurch wachsen Mitarbeiter und das ist es doch, was gute Führung ausmacht, oder?
Beste Grüße
Bastian Loosmann
Antwort von Katharina Raichle
Hallo Herr Loosmann,
vielen Dank für Ihre Meinung!
Ich finde den Aspekt der nicht-direktiven Führung auch sehr spannend. Die Führungskraft lernt mit dieser Methode zunehmend, dass sie Diskussionen dadurch entfesseln bzw. beschleunigen kann, indem sie sich zurücknimmt und nicht auf dem eigenen Standpunkt verharrt. Es entwickeln sich spannende Gespräche und im wahrsten Sinne innovative Ideen, die sich anders vielleicht niemand trauen würde, auszusprechen. Sei es aus Scham oder aus Angst davor, unangenehme Kritik hinnehmen zu müssen.
Nicht nur Führungskräften würde dieses Verhalten zugute kommen. Wie würde wohl unser Alltag aussehen, wenn wir unsere Mitmenschen darin fördern würden, ihre eigenen Ideen stark zu machen, statt ihnen unsere Meinung ausdrücken zu wollen?
Was meinen Sie dazu?
Herzliche Grüße
Katharina Raichle